Leitsatz (amtlich)
Tritt die beweispflichtige Partei für eine streitige innere Tatsache (zur Widerlegung der vermuteten Kenntnis von einer arglistigen Täuschung der Anleger über die anfallenden Vertriebsprovisionen bei institutionalisiertem Zusammenwirken) Zeugenbeweis an, so darf das Gericht seine Überzeugung vom Gegenteil nicht, ohne den benannten Zeugen vernommen zu haben, auf von der Gegenpartei (mithin gegenbeweislich) in Bezug genommene Urkunden stützen, aus denen es das Vorliegen von Kenntnis von der arglistigen Täuschung ableiten will.
Ein solches Vorgehen verstößt gegen das Gebot, den Sachverhalt durch Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären (§ 286 Abs. 1 ZPO) und nimmt in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung einer gebotenen Zeugenvernehmung vorweg.
Normenkette
ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 28.09.2012; Aktenzeichen 10 O 592/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 28.9.2012 - 10 O 592/11 - mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt ist.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsrechtszugs - an das LG Karlsruhe zurückverwiesen.
2. Die Anschlussberufung der Kläger gegen das Urteil wird zurückgewiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 168.409,24 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der beklagten Bausparkasse Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Kauf und der Finanzierung einer zu vermietenden Neubau-Eigentumswohnung in H. -A..
Auf Vermittlung der H. & B. -Gruppe (im Folgenden H & B), die seit dem Jahre 1990 in großem Umfang von der Beklagten finanzierte Anlageobjekte vertrieb, erwarben die Kläger, ein damals 39-jähriger technischer Sachbearbeiter und seine Ehefrau, durch notariellen Kaufvertrag mit Bauverpflichtung vom 12.12./20.12.1995 von der Verkäuferin C. Gesellschaft für Haus- und Grundbesitz mbH (später C. B. KG) eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in H., (Aufteilungsplan Nr ...), mit dem Sondernutzungsrecht an einem Pkw-Abstellplatz zum Kaufpreis von insgesamt 239.984 DM. Zur Finanzierung nahmen sie unter dem 21./22.12.1995 ein grundpfandrechtlich abzusicherndes Vorausdarlehen i.H.v. 276.000 DM bei der B. Bank AG auf, diese vertreten durch die Beklagte, die das Darlehen ab dem 1.1.1999 übernommen hat. Den Klägern war im Zusammenhang mit den Vermittlungsgesprächen ein vorformulierter sog. Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag vorgelegt worden, den sie am 7.12.1995 unterzeichneten.
Unstreitig mandatierten die Kläger die Kanzlei ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten bereits im Jahr 1999 mit ihrer Vertretung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Immobilienerwerb. Das Mandatsverhältnis dauerte jedenfalls bis ins Jahr 2004 an. Mit Schriftsatz vom 22.10.1999 hatte Rechtsanwalt M. den Darlehensvertrag nach § 2 HaustürWG für die Kläger widerrufen. Eine von ihm für die Kläger eingereichte Vollstreckungsabwehrklage gegen die Beklagte wies das LG Hannover durch Urteil vom 23.9.2003 (7 O 15/03) ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger verwarf das OLG Celle als unzulässig.
Die Kläger haben geltend gemacht, sie seien über die Höhe der tatsächlich entstandenen bzw. geleisteten Provisionen durch falsche Angaben im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag und der Beispielsrechnung arglistig getäuscht worden. Tatsächlich hätten die vom Vertrieb insgesamt erwarteten Vertriebsprovisionen um bis zu 20 % höher als dort angegeben gelegen. Die Höhe der Gesamtprovision wie auch die Verwendung des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags (OFA) seien der Beklagten bekannt gewesen.
Die Kläger haben die Rückabwicklung sämtlicher Verträge verlangt. Sie haben die Auffassung vertreten, ihre Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt. Rechtsanwalt M. habe damals keine positive Kenntnis von den Täuschungshandlungen gehabt, wenngleich ein Verdacht bestanden habe. Jedenfalls handele die Beklagte unredlich, wenn sie sich auf Verjährung berufe, da sie im Jahre 1999 die Höhe der Vermittlungsprovision wider besseres Wissen bestritten habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat in diesem Zusammenhang auf die Mandatierung von RA M. verwiesen, dessen Kenntnisse sich die Kläger zurechnen lassen müssten. Das Mandatsverhältnis habe von 1999 bis ins Jahr 2005 hinein angedauert.
Die Beklagte hat sich zum Beweis der Kenntnis von RA M. auf den Inhalt der von ihm für die Kläger vor dem LG Hannover geführten Vollstreckungsabwehrklage bezogen, die auch mit einer Täuschung über Innenprovisionen begründet worden sei, und vorsorglich dessen Vernehmung als Zeuge beantragt. Der zugleich erhobene Vorwurf der Beteiligung der Beklagten an einem Kapitalanlagebetrug impliziere wegen des Vorsatzerfordernisses i...