Leitsatz (amtlich)
1. a) Zwischen dem Hersteller und dem Erwerber eines Fahrzeugs kommt mit der Ausstellung der EG -Übereinstimmungsbescheinigung kein Garantievertrag gemäß § 443 BGB zustande.
b) Zur Darlegung einer vom Fahrzeughersteller begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bei der behaupteten Verwendung eines sog. "Thermofensters", einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und weiterer Abschalteinrichtungen.
c) Nach den Vorschriften über On-Board-Diagnose-Systeme besteht Anlass für eine Messung von Schwellenwerten nur beim Ausfall emissionsrelevanter Bauteile oder Systeme; hingegen müssen keine konstanten Messungen der Schadstoffemissionen vorgenommen und bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte Signale gespeichert werden. Eine vorschriftsgemäße Gestaltung des OBD-Systems bietet keinen Anhaltspunkt, die für den Hersteller handelnden Personen seien sich der Unzulässigkeit einer etwaigen Abschalteinrichtung bewusst gewesen.
2. a) Als Nachbesserung (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB) zur Beseitigung einer unzulässigen Abschalteinrichtung kommt ein Software-Update auch dann in Betracht, wenn es Emissions- oder Verbrauchsverhalten, Verschleiß oder Haltbarkeit verändert, ohne dass der so erreichte Zustand von einer Beschaffenheitsvereinbarung oder den beim betroffenen Fahrzeugtyp als üblich anzusehenden Eigenschaften abweicht. Eine Fristsetzung ist nicht unter diesem Gesichtspunkt nach § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich.
b) Soweit bei vom "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugen nach Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung möglicherweise ein merkantiler Minderwert verbleibt, gilt dies nicht für andere Fahrzeuge, bei denen ein auf arglistige Täuschung angelegtes Verhalten beim Hersteller nicht in beachtlicher Weise dargelegt ist.
c) Die Nacherfüllung ist nach einem ersten Software-Update noch nicht endgültig fehlgeschlagen (§ 440 Satz 1 Alt. 2 BGB), auch wenn diese noch keine zulässige Motorsteuerung erreicht oder wenigstens eine Stilllegungsgefahr ausräumt und zugleich negative Folgewirkungen (hier hartes und ruckartiges Schalten der Automatik bei kaltem Motor) eingetreten sind.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2020, Az. 4 O 308/19 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.
3. Dieses Urteil und das zu 1. bezeichnete Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die zu 1 beklagte Verkäuferin des durch ihn mit Übergabe am 18. Dezember 2017 mit einer Laufleistung von 91.000 km erworbenen Fahrzeugs vom Typ X auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 30.300,01 EUR (Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung) und die zu 2 beklagte Herstellerin des Fahrzeugs im Weg eines Feststellungsantrags auf Schadensersatz sowie beide Beklagten jeweils auf Erstattung von Rechtsverfolgungsaufwendungen in Anspruch, jeweils gestützt auf insbesondere eine behauptete Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Emissionskontrolle. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor Y ausgestattet, der nach der Abgasnorm Euro 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007, S. 1 ff; nachfolgend VO 715/2007/EG) ausgewiesen ist. In die Brennkammer des Motors kann Abgas zurückgeführt werden, was geeignet ist, die Verbrennungstemperatur in einen Temperaturbereich zu reduzieren, in welchem weniger NOx-Partikel entstehen; die Motorsteuerungssoftware bedingt, dass die Abgasrückführung (im Folgenden: AGR) außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert wird. In dem hier gegenständlichen Fahrzeug ist ferner eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verbaut. Das Fahrzeug ist nicht Gegenstand einer Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamts. Am 19. September 2019 wurde ein Update installiert. Der Kläger forderte die Beklagten mit Schreiben vom 4. Oktober 2019, gegenüber der Beklagten zu 1 unter Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und hilfsweiser Erklärung des Rücktritts von demselben, jeweils anwaltlich auf, den Kaufpreis gegen Rücknahme des Fahrzeugs (zurück) zu erstatten. Die Klage wurde am 29. November 2019 eingereicht. Nach Sachstandsanfrage des Klägers vom 14. Januar 2020 wurde die Anforderung des Vorschusses am 16. Januar 2020 hinausgegeben. Nach dessen Einzahlung am 30. Januar 2020 wurde die Klage - der Beklagten zu 1 am 13. Februar 2020 - zugestellt. Am Tag vor der mü...