Leitsatz (amtlich)

Der Antrag "die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger [Zahl] EUR abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs [Hersteller, Modell, Fahrzeugidentifikationsnummer] zu zahlen," ist bestimmt, falls Kaufpreis, erwartete Gesamtfahrleistung und tatsächliche Fahrleistung vorgetragen sind.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 2020, Az. 2 O 350/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung fallen dem Kläger zur Last.

3. Dieses Urteil und das zu 1. bezeichnete Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die beklagte Herstellerin des durch sie von einem Dritten zum Kaufpreis von 18.100 EUR mit einem von Kilometerstand von 61.500 km erworbenen Fahrzeugs vom Typ [...] auf Schadensersatz in Anspruch, gestützt auf insbesondere eine behauptete Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Emissionskontrolle.

Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor [...] ausgestattet, der nach der Abgasnorm Euro 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007, S. 1 ff; nachfolgend VO 715/2007/EG) ausgewiesen ist. In die Brennkammer des Motors kann Abgas zurückgeführt werden, was geeignet ist, die Verbrennungstemperatur in einen Temperaturbereich zu reduzieren, in welchem weniger NOx-Partikel entstehen; die Motorsteuerungssoftware bedingt, dass die Abgasrückführung (im Folgenden: AGR) außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert wird. In dem hier gegenständlichen Fahrzeug ist ferner eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung verbaut; das Absenken der Kühlmitteltemperatur, das nicht über alle Betriebszustände hinweg erfolgt, führt dazu, dass die Temperatur im Motorblock und damit auch die Verbrennungstemperatur im Zylinder niedriger ist, was die NOx-Emissionen reduziert. Zudem sind für den warmlaufenden Motor - der auch für die Aktivierung der Kühlmittelsollwertabsenkung relevant ist - in Teilen andere AGR-Raten vorgesehen als für andere Betriebszustände. Das Fahrzeug verfügt nicht über einen SCR-Katalysator zur Abgasnachbehandlung.

Fahrzeuge des vorliegenden Typs sind Gegenstand einer Rückrufanordnung, die das Kraftfahrt-Bundesamts damit begründet hat, dass es normale Betriebsbedingungen gebe, unter denen die Regelung der Kühlmittelsolltemperatur nicht eingreife. Zuvor bot die Beklagte eine freiwillige Kundendienstmaßnahme an. Ein Software-Update wurde beim klägerischen Fahrzeug im Februar 2022 aufgespielt.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 4. September 2019 anwaltlich auf, sich zu verpflichten, sämtliche Schäden aus dem Kauf des Fahrzeugs zu ersetzen.

Bei der mündlichen Verhandlung über die Berufung hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 188.610 km erreicht.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Klage sei wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Sinn von § 826 BGB begründet.

Die Beklagte habe in dem Fahrzeug eine Software installiert, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde oder im regulären Fahrbetrieb. Im Prüfstand-Modus sei der Motor so eingestellt, dass auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt würden als im üblichen Straßenverkehr. Nur im Prüfstand-Modus würden die Werte eingehalten, die zur Einstufung des Fahrzeugs in die Euro Norm benötigt würden. Außerhalb dieses Modus würden die NOx-Werte um ein Vielfaches überschritten. Die Beklagte verwende verschiedene Abschalteinrichtungen, so auch bei dem hier gegenständlichen Fahrzeug, nämlich

  • eine Aufwärmstrategie; im NEFZ kalt werde zur Aufwärmung eine höhere AGR-Rate gefahren als beim NEFZ warm; die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Motoraufwärmfunktion springe bei diesen Fahrzeugen nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an; im realen Verkehr unterbleibe diese NOx-Schadstoffminderung;
  • eine Funktion, durch die bei höheren Motortemperaturen die AGR-Rate gegenüber der Aufwärmphase zurückgenommen und entsprechend ausgerampt werde, was eine Verringerung der Abgasnachbehandlung darstelle, wodurch es zu einem höheren Stickoxidausstoß komme;
  • eine Verwendung der Volllastlinie dazu, die Abgasaufbereitung und Abgasrückführung aus nur vorgeschobenen Motorschutzgesichtspunkten zu reduzieren; so werde die entsprechende, nahezu nur beim NEFZ - mithin auf dem Prüfstand - gegebene Volllastlinie entsprechend reduziert, dass früher schon die Abgasnachbehandlung bzw. Abgasrückführung entsprechend ausgerampt bzw. reduziert werden könne; die Volllastlinie werde in der Nähe der Volllast des NEFZ gelegt; dies bedeute bei einer entsprechenden Überschreitung der Last des Zyklus, dass dann aufgrund angeblicher Motorgesichtspunkte die Abgasrückführung gedrosselt wer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge