Leitsatz (amtlich)
1. Zum Beweis des Zugangs der Unterlagen gem. § 5a Abs. 1 VVG.
2. Ein verfristeter Widerspruch gem. § 5a VVG kann bei Vorliegen eines Rechts zur Lösung des Versicherungsvertrags wegen Erhöhung der Beiträge in eine Kündigung umgedeutet werden.
Normenkette
VVG § 5a; MB/KK-94 § 13 Abs. 5; BGB § 140; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 30.12.2005; Aktenzeichen 9 O 239/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 30.12.2005 - 9 O 239/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 1.1.2004 kein Vertragsverhältnis über eine Krankenversicherung und eine Pflegeversicherung mehr besteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 599,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über das Bestehen einer Krankheitskosten- und Pflegeversicherung; die beklagte Versicherung macht widerklagend rückständige Versicherungsprämien geltend.
Der Kläger beantragte bei der Beklagen am 21.8.2003 den Abschluss einer privaten Krankheitskosten- und Pflegeversicherung mit Wirkung zum 1.11.2003. Der Versicherungsantrag nimmt Bezug auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskostenversicherung, insb. die Rahmenbedingungen 1994 (im Folgenden RB/KK 94), soweit es die Pflegeversicherung betrifft, auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen MB/PPV 1996. Der Versicherungsantrag weist eine monatliche Prämie von insgesamt 366,39 EUR aus, während die Prämie laut Versicherungsschein 378,73 EUR beträgt. Mit Schreiben vom 28.10.2003 widersprach der Kläger dem Versicherungsvertrag gem. § 5a Abs. 1 VVG mit der Begründung, dass ihm die kompletten Vertragsunterlagen bis dato nicht zugegangen seien. Ein im Wesentlichen gleich lautendes Schreiben des Klägers datiert vom 2.12.2003; dort heißt es u.a.:
Ich widerspreche gem. § 5a Abs. 1 VVG dem mit Ihnen abgeschlossenen Versicherungsvertrag ... Ich bin weiterhin Mitglied der Techniker Krankenkasse und werde den von Ihnen geforderten Beitrag nicht entrichten, da ich bei Ihnen nicht versichert bin. Stornieren Sie mit sofortiger Wirkung den Versicherungsvertrag ...
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass ein Versicherungsvertrag zwischen ihm und der Beklagten wegen des erfolgten Widerspruchs zu keinem Zeitpunkt bestanden habe.
Die Beklagte hat den Widerspruch als verspätet zurückgewiesen. Die gem. § 5a Abs. 1 VVG nötigen Versicherungsunterlagen seien zusammen mit dem - unstreitig zugegangenen - Versicherungsschein übersandt worden. Versicherungsschein und Unterlagen hätten dem Kläger am 22./23.8.2003, spätestens am 25.8.2003, vorgelegen. Von diesem Tage an habe die 14-tägige Widerspruchsfrist gem. § 5a Abs. 1, Abs. 2 VVG zu laufen begonnen; der Widerspruch vom 28.10.2003 sei deshalb verfristet. Im Wege der Widerklage verlangt die Beklagte rückständige Versicherungsprämien von insgesamt 5.495,96 EUR, wobei sie die höhere Prämie gem. Versicherungsschein zugrunde legt.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und die Widerklage für begründet erachtet.
Der Widerspruch sei verfristet, da die Unterlagen dem Kläger zusammen mit dem Versicherungsschein wenige Tage nach der Antragstellung zugegangen seien. Verbinde der Versicherer üblicherweise den Versicherungsschein mit den gebotenen Informationen und Belehrungen und stehe der Zugang des Versicherungsscheins fest, so spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Versicherungsnehmer auch die Informationen samt Belehrung erhalten habe. Die zugunsten der Beklagten eingreifende Vermutung habe der Kläger nicht widerlegt, nachdem seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vage und unglaubhaft gewesen seien. Auf die Abweichungen zwischen Versicherungsantrag und Versicherungsschein hinsichtlich der Prämienhöhe könne sich der Kläger nicht berufen, da er insoweit nicht widersprochen habe.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter und erstrebt die Abweisung der Widerklage. Das LG habe zu Unrecht den Zugang der Versicherungsunterlagen für erwiesen erachtet. Was die regelmäßige Versendung der Unterlagen und die Organisation des Postverkehrs durch die Beklagte angehe, sei das Gericht dem für die Beklagte tätigen Zeugen Heinrichs gefolgt. Dieser habe jedoch wahrheitswidrig ein Telefonat des Klägers mit der Beklagten im Zusammenhang mit den fehlenden Vertragsunterlagen geleugnet und sei deshalb insgesamt unglaubwürdig.
Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefoc...