Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsausfall für einen Oldtimer
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beschädigung eines wertvollen Oldtimers kommt ein Anspruch auf Nutzungsausfall nur dann in Betracht, wenn die Verfügbarkeit des Fahrzeugs eine Bedeutung für die eigenwirtschaftliche Lebensführung des Eigentümers hat. Erforderlich ist eine Nutzung des Oldtimers im Alltag als normales Verkehrs- und Beförderungsmittel; ein reines Liebhaberinteresse an der Nutzung (Ausflugsfahrten in der "Oldtimersaison") ist nicht ausreichend.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für die regelmäßige Nutzung des Oldtimers im Alltag obliegt dem Geschädigten.
3. Auch dann, wenn der Geschädigte kein zweites Fahrzeug besitzt, gibt es bei einem wertvollen Oldtimer (hier: Mercedes Benz 300 SL "Flügeltürer" Baujahr 1955) nicht ohne weiteres eine Vermutung für eine normale Alltagsnutzung des Fahrzeugs.
Normenkette
BGB §§ 249, 253 Abs. 1, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 14.01.2011; Aktenzeichen 5 O 192/10 E) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Konstanz vom 14.1.2011 - 5 O 192/10 E - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erwarb im Jahr 2008 einen Mercedes Benz 300 SL ("Flügeltürer"), Baujahr 1955. Er beabsichtige, das Fahrzeug weiter zu verkaufen. Zu diesem Zweck wurde der Pkw vom Wohnsitz des Klägers in München zur Beklagten, die in größerem Umfang mit Oldtimern handelt, nach Singen verbracht. Die Beklagte sollte einen Verkauf des Fahrzeugs an einen Dritten vermitteln, wobei im schriftlichen "Auftrag zur Vermittlung" eine untere Preisgrenze von 560.000 EUR festgesetzt wurde. Während sich das Fahrzeug bei der Beklagten befand, wurde es zu einem unbekannten Zeitpunkt von einem Mitarbeiter der Beklagten durch - unstreitig - mindestens fahrlässiges Verhalten beschädigt (Dellen in beiden Türen).
Nachdem eine Veräußerung des Fahrzeugs nicht gelungen war, wurde es - vereinbarungsgemäß - am 14.5.2009 zum Kläger nach München zurücktransportiert. Bei der Ablieferung in München stellte der Kläger die Dellen in den Türen fest, von denen die Beklagte dem Kläger bis dahin nichts mitgeteilt hatte. Die beschädigten Türen wurden in der Folgezeit von einem in Bayern ansässigen Unternehmen, das sich auf Reparatur und Restauration von Mercedes Benz 300 SL-Fahrzeugen spezialisiert hat, repariert. Die Reparaturkosten i.H.v. ca. 11.500 EUR wurden dem Kläger von der Haftpflichtversicherung der Beklagten ersetzt. Zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2010 wurde das Fahrzeug vom Kläger weiterverkauft. Während der Besitzzeit des Klägers (2008 bis 2010) war der Pkw zu keinem Zeitpunkt zum Straßenverkehr zugelassen.
Der Kläger hat erstinstanzlich von der Beklagten Zahlung von Nutzungsausfall verlangt. Er habe vor der Rückgabe des Fahrzeugs durch die Beklagte an ihn im Mai 2009 geplant, den Pkw Mercedes Benz zum Straßenverkehr zuzulassen. Er habe mit dem Pkw im Sommer ("Oldtimersaison") fahren wollen. Im Hinblick auf eine im Jahr 2008 erfolgte Teil-Restauration des Fahrzeugs habe er außerdem bei entsprechenden Fahrten den Pkw auf Mängel testen wollen. Aufgrund der Beschädigung im Hause der Beklagten sei ihm eine Nutzung nicht möglich gewesen; denn es habe die Gefahr bestanden, dass eine der beiden beschädigten Flügeltüren sich während der Fahrt unkontrolliert öffnete. Die Fertigstellung der Reparatur habe sich aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, bis zum 28.10.2009 verzögert.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass ihm während des klagegegenständlichen Zeitraums kein anderes Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung gestanden habe. Er sei zwar Anfang 2009 Eigentümer eines weiteren Pkw Mercedes gewesen. Wegen der geplanten Nutzung des streitgegenständlichen Mercedes Benz 300 SL habe er dieses andere Fahrzeug jedoch schon vor dem 14.5.2009 verkauft, so dass ihm ab dem 28.6.2009 der andere Pkw nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Dementsprechend sei die Beklagte zur Zahlung von Nutzungsausfall für die Zeit vom 28.6.2009 bis zum 28.10.2009 (Fertigstellung der Reparatur), mithin für 122 Tage, verpflichtet. Der Kläger ist in Anlehnung an eine Nutzungsentschädigungstabelle für Oldtimer eines Sachverständigen, die der Kläger vorgelegt hat (Anlage K 1), von einer geschuldeten Nutzungsentschädigung i.H.v. 500 EUR pro Tag ausgegangen. Er hat hiervon jedoch lediglich einen Teilbetrag von 110 EUR täglich geltend gemacht, woraus sich für den fraglichen Zeitraum eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 13.420 EUR ergebe.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe die Beschädigung des Fahrzeugs durch einen Mitarbeiter in ihrem Betrieb nicht bemerkt, und daher den Kläger vor der Rückführung des Fahrzeugs nach München auch nicht informiert. Die Voraussetzungen für eine Zahlung von Nutzungsausfallentschädigung seien aus verschiedenen Gründen nicht gegeben.
Das LG hat die Beklagte ant...