Leitsatz (amtlich)
Aufgabe zur Post im Sinne von § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass das Dokument in die Sachherrschaft eines Unternehmens überführt wird, das zur gewerbsmäßigen Erbringung von Beförderungsdienstleistungen betreffend Briefsendungen gemäß § 5 Abs. 1 PostG lizensiert ist. Eine justizinterne Weiterleitung an ein anderes Gericht zur anschließenden Versendung mit der Post genügt dafür noch nicht.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 29. Juni 2018, Az. 7 O 147/16, an das Landgericht Mannheim zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen.
2. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung ihres Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil.
Die Klägerin hat Ansprüche wegen angeblicher Verletzung des Europäischen Patents EP 2 294 737 B1 erhoben, welches Gegenstand einer beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsklage der [A.] GmbH ist. Die auf Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage wurde der Beklagten nach den Feststellungen des Landgerichts an deren Sitz in [Ostasien] am 18. April 2017 mit einer Aufforderung des Landgerichts vom 11. Oktober 2016 (AS I 90) und deren Berichtigung vom 25. Oktober 2016 (AS I 98; jeweils in Übersetzung) zugestellt, innerhalb einer Frist von einem Monat, falls kein Prozessbevollmächtigter bestellt wird, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat. Dieser Aufforderung ist die Beklagte nicht gefolgt. Wegen der Einzelheiten des Verfahrens wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
In einem vom Landgericht anberaumten frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2017 erging auf Antrag der Klägerin gegen die nicht erschienene Beklagte ein mit Tatbestand und Entscheidungsgründen, aber keiner Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Versäumnisurteil. Die Vorsitzende verfügte, dessen Übersetzung der Beklagten durch dokumentierte Aufgabe an die Post zuzustellen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle übermittelte die entsprechende Sendung an die Gerichtswachtmeisterei des Landgerichts mit der Bitte um Aufgabe bei einer Postanstalt oder Einwurf in einen Postbriefkasten und Rückgabe des ausgefüllten Erledigungsvermerks. Der Gerichtswachtmeister vermerkte am 19. Dezember 2017, dass er die Sendung an diesem Tag unter der Anschrift der Beklagten "einem von der AG Mannheim Beauftragten übergeben" (sic) habe. Die Einzelheiten ergeben sich aus den Seiten 157, 164 f der Hauptakte des Landgerichts, auf die verwiesen wird.
Die späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten erlangten durch ein Schreiben vom 2. März 2018, das die Bevollmächtigten der Klägerin an sie per Fax ohne Anlage und postalisch mit dem Versäumnisurteil als Anlage (zugegangen am 5. März 2018) richteten, Kenntnis vom vorliegenden Verfahren. Am 6. März 2018 zeigten sie dem Landgericht die Vertretung der der Beklagten an.
Am 16. März 2018 legte die Beklagte durch ihre Bevollmächtigten Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, ihr fehlendes Verschulden werde mangels Rechtsbehelfsbelehrung vermutet. Dabei führte sie u.a. aus, das Hindernis, das vorliegend in der Unkenntnis des Versäumnisurteils bzw. dessen Anfechtbarkeit durch die Beklagte liege, bestehe erst seit dem Bekanntwerden des Versäumnisurteils am 5. März 2018 nicht mehr. Am selben Tag erwiderte sie zudem in der Sache auf die Klage unter Ankündigung eines Antrags auf deren Abweisung. Hierzu führte sie aus, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, das Klagepatent sei aufgrund eines Patenthinterhalts kartellrechtlich nicht durchsetzbar, es fehle an einer Verletzung und im Übrigen sei der Rechtsstreit jedenfalls angesichts der Nichtigkeitsklage auszusetzen. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 machte die Beklagte unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung (Anlagen [B] 5) geltend, ihr sei bereits wegen unverschuldeter Unkenntnis des Versäumnisurteils Wiedereinsetzung zu gewähren, weil ihr das Versäumnisurteil tatsächlich nicht zugegangen sei, und vertiefte ihr Vorbringen zur fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung. Weitere eidesstattliche Versicherungen (Anlagen [B] 6 ff) legte sie mit einem späteren Schriftsatz vor.
Die Klägerin hat auf die Klageerwiderung in der Sache nicht repliziert.
Die Beklagte hat in erster Instanz geltend gemacht, die Einspruchsfrist sei gewahrt. Die lediglich durch Aufgabe zur Post vorgenommene Zustellung des Versäumnisurteils sei nicht zulässig gewesen, weil keine wirksame Anordnung nach § 184 Abs. 1 ZPO ergangen sei. Aus der Prozessakte ergebe sich nicht, dass der Beschluss vom 25. Oktober 2016, mit dem die Aufforderung zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten dahin berichtigt worden sei, dass sie nicht die Klägerin, sondern die Bekla...