Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn dem Patienten ein allgemeines Bild über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken zutreffend vermittelt wurde, genügt dies zur ordnungsgemäßen Aufklärung dann nicht, wenn der Eingriff aufgrund der besonderen Befindlichkeit des Patienten, beispielsweise aufgrund von Voroperationen im Operationsgebiet, besondere Risiken (hier Erhöhung der Gefahr von Nervenschädigungen) aufweist. Für die ärztliche Aufklärungspflicht kommt es dabei nicht entscheidend auf einen bestimmten Grad der Komplikationsdichte oder eine in konkreten Zahlen ausdrückbare Erhöhung der Komplikationsrate sondern allein darauf an, ob das in Frage stehende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und den Patienten in seiner Lebensführung besonders belastet.
2. Dient der Eingriff der Vermeidung von Schmerzen, unter denen der Patient in erheblichem Umfang leidet und deren Beseitigung er nachdrücklich anstrebt, und wurde er über das allgemeine Risiko von Nervenschädigungen aufklärt und war bereit, dieses zu tragen, dann ist ein Entscheidungskonflikt regelmäßig nicht plausibel, mit dem der Patient lediglich vorbringt, allein aufgrund Erhöhung des qualitativ unveränderten Risikos hätte er vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 847
Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 2 O 363/96) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 15.6.1999, 2 O 363/96, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 DM vorläufig abwenden, sofern nicht diese vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Sicherheitsleistung kann jeweils durch selbstschuldnerische, schriftliche und unwiderrufliche Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche aufgrund einer Nervenverletzung geltend.
Sie besuchte am 13.4.1994 zum Zwecke der Behandlung einer Coxarthrose die chirurgische Abteilung des Klinikums der Beklagten zu 1) auf. Das rechte Hüftgelenk der Klägerin sollte mit einer zementfreien Totalendprothese versehen werden. Dieser Eingriff wurde am 18.4.1994 durch den Beklagten zu 2) als Operateur vorgenommen. Nach dem Eingriff berichtete die Klägerin über Schmerzen und Missempfindungen im rechten Unterschenkel und im rechten Fuß. Darüber hinaus konnte sie weder das rechte Sprunggelenk noch die Zehen des rechten Fußes bewegen. Diesen Beschwerden wurde am 19.4.1994 durch ein neurologisches Konsil nachgegangen, das folgende Beurteilung ergab: Parese re US/Fuß von peronaealem Verteilungstyp; DD: part. Ischiadicus-Läsion div. peronae/part. Peronaeusläsion. Eine weitere neurologische Untersuchung der Klägerin am 4.5.1994, die in den Bericht vom 6.5.1994 eingeflossen ist, ergab den Verdacht eines Peronaeus-Communis-Schadens rechts, DD part. Ischiadicus-Läsion. Die erhobenen Befunde wurden dahin gedeutet, dass diese für eine fast komplette Läsion peronaeus communis unterhalb des Abgangs zum Bizeps fem. Caput breve, zum Beispiel im Bereich des Fibulaköpfchens, sprächen, wobei damit die festgestellte Amplitutenreduktion im Suralis nicht sicher erklärt werden konnte. In einem weiteren neurophysiologischen Untersuchungsbericht vom 1.7.1994 ist ausgeführt: Der elektromyografische Befund zeigt jetzt Zeichen aktueller Denervierung im Bic. fem. caput breve rechts. Der vormals geäußerte Verdacht einer überwiegenden Schädigung des peronaealen Anteils des N. ischiadicus ist somit bestätigt.
Die Klägerin hat behauptet, es liege eine Schädigung des Nervus peronaeus communis vor. Diese sei auf eine falsche Lagerung während der Operation zurückzuführen. Sie sei über die Möglichkeit eines Lagerungsschadens nicht aufgeklärt worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie den Eingriff nicht durchführen lassen. Zudem habe nach dem Erkennen der Nervenschädigung eine operative Entlastung der Läsion stattfinden müssen. Dies sei behandlungsfehlerhaft unterblieben.
Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld i.H.v. ca. 100.000 DM, die Erstattung materiellen Schadens i.H.v. 5.183,40 DM und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten begehrt.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt.
Sie haben behauptet, eine Schädigung der Nervus peronaeus communis liege nicht vor. Vielmehr sei der peronaeale Anteil des Nervus ischiadicus geschädigt. Damit liege ein Lagerungsschaden nicht vor, dies sei deshalb ausgeschlossen, weil auch die Oberschenkelmuskelgruppen Zeichen einer aktuellen Denervierung gezeigt hätten, Lagerungsschäden aber nur i.H.d. Wadenbeinköpfchens, nicht aber darüber lokalisiert werden könnten, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Ursache der Nervenläsion seien zwei nicht beeinflussbare Umstände gewesen: Zum einen hätten zwei frühere Operationen im gleichen Bereich zu Vernarbungen z...