Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessführungsbefugnis des Schadensabwicklungsunternehmens in der Rechtsschutzversicherung für die Aktivklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 126 Abs. 2 VVG begründet keine gesetzliche Prozessführungsbefugnis des Schadensabwicklungsunternehmens zur Geltendmachung von gemäß § 86 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangenen Regressansprüchen.

2. Zur Annahme einer gewillkürten Prozessführungsbefugnis aus einem Ausgliederungsvertrag zwischen dem Rechtsschutzversicherer und einem Schadensabwicklungsunternehmen (hier bejaht).

3. Bei einer Klage in gewillkürter Prozessstandschaft tritt die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung erst in dem Augenblick ein, in dem diese prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist. Dafür genügte es, dass die Klagepartei offenlegte, dass sie als Schadensabwicklungsunternehmen auftrete und Auskunfts- sowie Zahlungsansprüche des Rechtsschutzversicherers geltend mache.

 

Normenkette

BGB §§ 195, 199, 204; VVG §§ 86, 126

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 21.07.2020; Aktenzeichen 10 O 14/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21.07.2020, Az. 10 O 14/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, auf das Konto der A Versicherungs-AG bei der C-Bank AG, IBAN: DE..., zur VS-Nr. ..., 5.461,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.12.2018 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten auf letzter Stufe der erhobenen Stufenklage die Rückzahlung geleisteter Vorschüsse.

Die Klägerin ist als Schadensabwicklungsunternehmen im Rahmen der Abwicklung von Rechtsschutzversicherungsfällen für die A Versicherungs-AG tätig. Im Oktober 2016 haben die Klägerin und die A Versicherungs-AG einen "Ausgliederungsvertrag über die Rechtsschutz-Leistungsbearbeitung" geschlossen, in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde:

"§ 1 Vertragsgegenstand

1. Die AZ Vers überträgt die gesamte - in der Anlage zu diesem Vertrag näher beschriebene - Leistungsbearbeitung in der Rechtsschutzversicherung auf die AZ RS-Service GmbH (im Folgenden: die 'vertragsgegenständlichen Leistungen').

(...)

§ 2 Vollmacht

1. Die AZ Vers bevollmächtigt die AZ RS-Service GmbH, die AZ Vers gerichtlich oder außergerichtlich bei allen Rechtsgeschäften, insbesondere auch der Regressführung, zu vertreten, die im Zusammenhang mit der Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen stehen."

Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er wurde von seinem Mandanten, Herrn Alfred K. (im Folgenden: der Mandant), mit der Vertretung in drei Prozesskostenhilfeverfahren vor dem Landgericht Baden-Baden beauftragt: Der Antragsteller Mike F. beantragte in dem Verfahren Az. 1 O 167/08 Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er eine Verurteilung des Mandanten zur Zahlung von 64.044,89 EUR erwirken wollte. Der Antragsteller Marvin F. beantragte in dem Verfahren Az. 1 O 168/08 Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Mandanten auf Zahlung von 62.468,03 EUR. In dem Verfahren Az. 1 O 169/08 beantragte Frau Jeanette F. Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Mandanten auf Zahlung von 47.241,53 EUR. Die Prozesskostenhilfeanträge wurden mit drei Beschlüssen des Landgerichts Baden-Baden vom 15.10.2008 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegten sofortigen Beschwerden wurden mit Beschlüssen des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18.03.2009 zurückgewiesen. Die Antragsteller sahen von einer weiteren gerichtlichen Verfolgung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche ab.

Der Mandant unterhielt eine Rechtsschutzversicherung bei der A Versicherungs-AG unter Einbeziehung der ARB 75. Die Klägerin hatte für die genannten Verfahren eine Deckungszusage erteilt und Vorschüsse an den Beklagten ausgezahlt, die der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig sind.

Die Klägerin wurde von dem Beklagten nicht über den Ausgang der gerichtlichen Verfahren informiert.

Die Klägerin hat daraufhin eine Stufenklage erhoben, die auf erster Stufe auf Auskunftserteilung über den Verfahrensstand, Vorlage der vorhandenen Unterlagen und Abrechnung über die geleisteten Vorschüsse gerichtet war. Der Beklagte ist mit rechtskräftigem Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.06.2018 antragsgemäß verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist mit Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 05.11.2018 (12 U 124/18) als unzulässig verworfen worden.

Anschließend hat der Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2018 gegenüber der Klägerin Auskunft erteilt und eine Abrechnung vorgenommen. Einen nach seiner Abrechnung überzahlten Betrag in Höhe von 1.258,89 EUR hat er an die Klägerin zurückgezahlt. Die Klägerin hat mit Anwaltsschreiben vom 30.11.2018 darauf hingewiesen, dass die erteilten Abrechnunge...

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