Leitsatz (amtlich)
1. Die Hemmung der Verjährung wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien wird durch die Erklärung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten, grundsätzlich nicht berührt Andererseits dienen auch Verhandlungen über einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung - im Erfolgsfall - der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und fallen daher in den Anwendungsbereich des § 203 BGB.
2. Eine reine Schadensanmeldung stellt für sich genommen noch keine Aufnahme von Verhandlungen dar; dies ändert sich jedoch - mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Schadensmeldung, sobald der derart in Anspruch genommene nicht sofort und eindeutig den Ersatz ablehnt, sondern sich im weiteren Verlauf auf eine Erörterung einlässt und sei es auch nur, in dem er darauf hinweist, noch nicht über die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen für eine Haftungsanerkennung zu verfügen, wohl aber sich zu einem zeitlich begrenzten Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede bereit erklärt.
3. Zwar findet die Berücksichtigung von gem. § 5 f. Abs. 2 BinSchG privilegierten Ansprüchen wegen der Beschädigung von Hafenanlagen erst im Verteilungsverfahren statt. Davon unabhängig kann indessen ein Gläubiger - ähnlich wie im Insolvenzverfahren - (auch) die Frage des Vorrangs einer zur Tabelle angemeldeten aber bestrittenen Forderung zum Gegenstand seiner Feststellungsklage machen.
4. Gemäß § 5 f. Abs. 2 BinSchG haben bei der Befriedigung aus dem Haftungshöchstbetrag Ansprüche wegen Beschädigung von Hafenanlagen, Hafenbecken (u.a.) den Vorrang. Die Privilegierung gilt auch für private Betreiber solcher Anlagen.
Als privilegierende Ausnahmevorschrift ist § 5 f. Abs. 2 BinSchG jedoch eng auszulegen. Sie erfasst nach ihrem Sinn und Zweck nur Ansprüche auf Ersatz des unmittelbaren Schadens, d.h. der reinen Substanzsachschäden, nicht aber weitergehende Ansprüche, die einem geschädigten Eigentümer im Zusammenhang mit der Beschädigung entstehen können. Nicht erfasst werden damit mittelbare Schäden, sog. Vermögensfolgeschäden, d.h. Schadenspositionen wie Nutzungsausfall, Betriebsunterbrechungsschäden oder Expertenkosten.
Normenkette
BinSchG § 5 f. Abs. 2, §§ 6, 117 Abs. 1 Nr. 7; BGB §§ 203, § 204 Abs. 1 Nr. 1; SVertO § 46 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Mainz (Urteil vom 25.02.2009; Aktenzeichen 76 C 7/06 BSchRh) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG - Rheinschifffahrtsgericht - Mainz vom 25.2.2009 - 76 C 7/06 BSchRh - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Zur Tabelle des Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens X (AG - Schifffahrtsgericht - Mainz 281 SRV 1/07) wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte/Schuldnerin eine Forderung i.H.v. 19.336,07 EUR zusteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Widersprechenden Ziff. 2, 3 und 4 jeweils ein Drittel. Die vormalige Beklagte/Schuldnerin/Widersprechende Ziff. 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt - zuletzt - im Wege der Klage auf Feststellung zur Tabelle des Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens Ersatz von Expertenkosten der Sachverständigen L. gemäß Rechnung vom 20.3.2006 i.H.v. netto 17.379,40 EUR nebst Zinsen und Feststellung des Vorrangs gem. § 5 f. Abs. 2 BinSchG.
Die Klägerin betreibt im Hafen von Gernsheim (Rheinkilometer 462,5) ein Tanklager mit Umschlagseinrichtungen für die Tankschifffahrt. Die ursprüngliche Beklagte Ziff. 1 ist Schiffseignerin, jedenfalls Ausrüsterin des TMS "X". Gegenstand der Klage sind Schadensersatzansprüche aus Anlass einer Havarie des TMS "X" am 31.8.2004 an der Umschlagseinrichtung der Klägerin.
TMS "X" ist 84,60 m lang, 9,50 m breit und weist eine Tragfähigkeit von 1.491 Tonnen auf. Der maximale Tiefgang beträgt 2,82 m. Angetrieben wird das Schiff durch eine Maschine von 662 kw. Verantwortlicher Schiffsführer am Vorfallstag war der Schiffsführer B.. Das mit 652 Tonnen Xylol beladene TMS "X" lag am 31.8.2004 im Hafenbecken 2 des Rheinhafens Gernsheim an der Löschstelle der Klägerin, um zu löschen. Nachdem der Löschvorgang gegen 16.15 Uhr problemlos gestartet war, begaben sich der verantwortliche Schiffsführer B. zusammen mit dem zweiten Schiffsführer C. in die Achterwohnung des Schiffes. Zur Überwachung des Löschvorgangs stellten sie den Steuermann D. ab. Dieser suchte eine knappe Stunde später, etwa gegen 17.10 Uhr, das Steuerhaus von TMS "X" auf. Infolge Unachtsamkeit betätigte er kurz danach beim Verschieben des Steuerstuhls die laufende Antriebsmaschine auf "volle Kraft voraus", wodurch das angeflanschte und dem vollem Umschlagsbetrieb befindliche Schiff in Vorausfahrt geriet.
Durch die regelwidrige Belastung brachen die beiden vorderen Festmachtaue und das Schiff lief aufgrund des nach Backbord liegen...