Leitsatz (amtlich)

Ein anwaltlich vertretener Versicherungsnehmer, der von ein ihm zustehendes Lösungsrecht (hier: Rücktritt gemäß § 8 VVG a.F.) ausübt und hieraus gegenüber dem Versicherer Leistungsansprüche geltend macht, kann sich gegenüber einer Verjährungseinrede nicht darauf berufen, wegen ungewisser Rechtslage sei ihm eine frühere gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche unzumutbar gewesen.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.05.2016; Aktenzeichen 18 O 38/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.02.2018; Aktenzeichen IV ZR 304/16)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 25.05.2016 - 18 O 38/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des LG Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über gezogene Nutzungen aus zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsverträgen sowie Herausgabe der durch die Beklagte gezogenen Nutzungen nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach Rücktritt von Versicherungsverträgen.

Der Kläger hat mit Versicherungsbeginn zum 01.11.1997 bei der Beklagten zwei Rentenversicherungsverträge unter den Vertragsnummern ... 98 und ... 46 und mit Versicherungsbeginn zum 01.12.1997 einen Lebensversicherungsvertrag unter der Vertragsnummer ... 18 nach dem sog. Antragsmodell abgeschlossen.

Auf den Versicherungsanträgen ist auf S. 3 unten vor der Unterschrift des Klägers jeweils unter den fettgedruckten Worten "Wichtige Hinweise" u.a. folgende Widerrufsbelehrung abgedruckt:

"Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten bzw. ihm widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung bzw. des Widerspruchs ".

In der Folgezeit bediente der Kläger die Verträge entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen. 2008 wurde der Beklagten die sicherungsweise Abtretung einer Rentenversicherung an eine Bank angezeigt. 2009 bat der Kläger um Beitragsfreistellung bei den Verträgen und um Eintragung seiner Ehefrau als neue Begünstigte. Die Beklagte bestätigte dem Kläger durch entsprechende Nachträge vom die Änderung des Bezugsrechts sowie die gewünschten Beitragsfreistellungen. 2009 erhielt die Beklagte ein vom Kläger unterzeichnetes Schreiben, durch welches er eine Firma ermächtigte, bezüglich eines beabsichtigten Verkaufs der drei Versicherungen bei der Beklagten Informationen zu den Verträgen anzufordern, die in der Folgezeit auch erteilt wurden.

Mit Schreiben vom 24.09.2010 und 25.11.2010 erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Widerspruch bzw. den Widerruf zu den Verträgen, höchstvorsorglich die Anfechtung und hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte akzeptierte lediglich die Kündigung der Verträge zum 01.11.2010 und erstattete insgesamt folgende Beträge:

  • Vertragsnummer ... 46: 29.842,63 EUR
  • Vertragsnummer ... 18: 12.103,08 EUR
  • Vertragsnummer ... 98: 18.909,70 EUR

Der Kläger hat vorgetragen, er sei durch die Schreiben vom 24.09.2010 und 25.11.2010 wirksam und fristgerecht von den Verträgen zurückgetreten, weshalb nicht nur ein Anspruch auf Auszahlung der Rückkaufswerte bestehe, sondern darüber hinaus auch auf die durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Da ihm eine Bezifferung nicht möglich sei, müsse die Beklagte zunächst Auskunft über die verschiedenen Anteile der Prämien erteilen.

Er sei bei den Vertragsabschlüssen nicht hinreichend belehrt worden. Die äußere Form der Belehrungen genüge nicht den gestellten Anforderungen, da es an einer drucktechnischen Hervorhebung fehle. Zudem sei in den Formulierungen nicht hinreichend zwischen Rücktritt und Widerruf unterschieden worden und nicht klargestellt worden, welches Recht bei den vorliegenden Verträge ausgeübt werden könne. Damit genüge der Hinweis nicht den Anforderungen an eine deutliche und widerspruchsfreie Belehrung über das dem Versicherungsnehmer zustehende Vertragslösungsrecht, so dass hier ein Fall des "ewigen" Rücktrittsrechts vorliege. Das Rücktrittsrecht sei deshalb nicht verfristet.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf Verwirkung berufen, da es im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung am Umstandsmoment fehle.

Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Bis zur Entscheidung des EuGH vom 19.12.2013 (C-209/12) sei die Rechtslage selbst für einen rechtskundigen Dritten unsicher und zweifelhaft gewesen und habe nicht zuverlässig eingeschätzt werden können, was zum Hinausschieben des Verjährungsbeginns führe.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem...

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