Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Vaterschaft
Verfahrensgang
AG Überlingen (Urteil vom 24.02.2000; Aktenzeichen 1 F 410/99) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts –Familiengericht– Überlingen vom 24.02.2000 – 1 F 410/99 – wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anfechtung der Vaterschaft für die am … in Rußland geborene Beklagte. Der Kläger und die Mutter der Beklagten sind aus (Sowjet-)Russland stammende Volksdeutsche.
Sie lebten bei der Geburt der Beklagten in O./Rußland. Sie besaßen die sowjetische Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde 1995 in Russland geschieden (I 23, 25).
Die Beklagte gilt, da der Kläger zum Zeitpunkt der Geburt mit ihrer Mutter verheiratet war, als eheliches Kind des Klägers.
Der Kläger erhob bereits im Februar 1997 vor dem Volksgericht der Stadt O. Klage auf Anfechtung der Vaterschaft (I, 51–57). Nach einer mündlichen Verhandlung am 30.04.1997 (I, 47–49) nahm er sie zurück.
Die Mutter der Beklagten reiste im Oktober 1997 nach Deutschland, wo sie als Spätaussiedlerin anerkannt wurde. Der Kläger reiste zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls hierher.
Er behauptet, er sei nicht der biologische Vater der Beklagten. Dies sei vielmehr sein am … geborener Sohn aus erster Ehe, der ihm dies so auch so gestanden habe.
Er hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte nicht sein eheliches Kind ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Diese sei nicht innerhalb der – nach russischem Recht – einschlägigen 1-Jahres-Frist erhoben worden.
Das Amtsgericht hat die Klage – gem. dem Antrag der Beklagten – wegen Fristversäumung als unzulässig abgewiesen.
Es hat seine Entscheidung auf das Familiengesetzbuch der RSFSR (= Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) aus dem Jahre 1969 und insoweit darauf gestüzt, daß die dort vorgesehene Jahresfrist für die Anfechtung ab Kenntnis der Eintragung als Vater im russischen Geburtenregister, längst verstrichen ist.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Mit ihr wird zum einen ein Verfahrensverstoß geltend gemacht: Dass in diesem Rechtsstreit eine Entscheidung nach russischem Recht zu ergehen habe, sei vom Amtsgericht erstmals im Termin am 10.02.2000 geäußert worden. In diesem Termin sei der Kläger nicht anwesend gewesen und habe sich daher zu dieser Problematik nicht äußern können.
Im übrigen ist der Kläger der Auffassung, daß deutsches Recht anzuwenden sei. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, dürfte die Klage nicht wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen werden Der vom Amtsgericht angewandte Ehe- und Familiencodex, welcher noch aus den Zeiten der Sowjetunion stamme, sei durch das Familiengesetzbuch der russischen Föderation (FGB RF) zum 01.03.1996 außer Kraft gesetzt worden.
Nach diesem gelte keinerlei Fristenregelung für die Frage der Klärung der Vaterschaft.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat eine Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht eingeholt, auf welche ebenfalls Bezug genommen wird (II, 103–113).
Entscheidungsgründe
1.)
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Amtsgericht hat zurecht die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen.
Da die Beklagte in der ehemaligen UDSSR und zwar im Gebiet der RSFR geboren und der Kläger im Geburtenregister des dortigen zuständigen Standesamts als Vater eingetragen wurde, richtet sich die Frage, welches Recht für die Abstammung der Beklagten und die Anfechtung der Abstammung maßgebend ist, nach den im Einführungsgesetz zum BGB normierten Bestimmungen des internationalen Privatrechts.
Die insoweit maßgebenden Vorschriften EGBGB 19 und 20 sind durch das Kindschaftsreformgesetz vom 16.05.1997 (BGBL 2942) mit Wirkung zum 01.07.1998 reformiert worden.
a) Gem. EGBGB 20 kann die Abstammung nach jedem Recht angefochten werden, aus dem sich ihre Voraussetzungen ergeben. Diese Bestimmung gilt – worauf klägerseits zurecht hingewiesen wird – nach Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB auch für die vor dem 01.07.1998 geborenen Kinder. Die Voraussetzungen der Abstammung bestimmen sich demgegenüber gem. der Übergangsregelung Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB für ein vor dem 01.07.1998 geborenes Kind nach den bisherigen Vorschriften, somit nach Art. 19 EGBGB alter Fassung (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 60. Aufl., Art. 19 EGBGB, RN 3 a. E.).
Nach dessen Abs. 1 unterliegt die eheliche Abstammung eines Kindes dem Recht, das nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB für die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Mutter bei der Geburt des Kindes maßgebend ist. Gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe vorrangig dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören (die 2. Alternative ist hier nicht anschlägig). Dies war zum Zeitpunkt der Geburt der Beklagten die UDSSR.
Das Amtsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, d...