Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer Verurteilung des Versicherungsnehmers im Adhäsionsverfahren für den Deckungsprozess gegen den Versicherer
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verurteilung des Versicherungsnehmers im strafprozessualen Adhäsionsverfahren ist für den Versicherer im Deckungsprozess in gleicher Weise bindend wie ein Urteil im Zivilprozess.
2. Der Versicherer kann sich im Deckungsprozess nicht auf einen Haftungsausschluss wegen Vorsatz berufen, wenn der Versicherungsnehmer im Adhäsionsprozess (nur) wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wurde.
3. Der Versicherer erleidet durch die Bindung an die im Adhäsionsverfahren festgestellte Schuldform keinen Nachteil. Denn wenn der Versicherer - im Rahmen der üblichen Versicherungsbedingungen - einen zivilrechtlichen Haftungsprozess für den Versicherungsnehmer geführt hätte, dann hätte er selbst in Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers dem Vorwurf des Vorsatzes entgegentreten müssen.
Normenkette
StPO § 406 Abs. 3; VVG §§ 100, 103, 106
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen K 5 O 247/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.04.2017 - K 5 O 247/16 - aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Forderungen des Herrn H. R., R.straße, K., aus dem Urteil des Amtsgerichts Singen vom 03.09.2015 - Az: 50 Cs 53 Js 23023/14 - freizustellen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Forderungen des Herrn H. R., R.straße, K., aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Singen vom 06.04.2016, Az: 50 Cs 53 Js 23023/14, in Höhe von 1.022,92 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.02.2016 freizustellen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger darüber hinaus aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen Frau A. B. und der Beklagten, Versicherungsnummer 50026783/583, wegen des Vorfalls vom 04.10.2014 in G. Versicherungsschutz zu gewähren.
5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
7. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Ehefrau des Klägers, A. B., hat mit der Beklagten einen Haftpflichtversicherungs-Vertrag abgeschlossen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist auch die Haftpflicht des Klägers mitversichert. Die Beklagte hat nach dem Vertrag Versicherungsschutz zu gewähren u. a. bei Schadensersatzansprüchen, die ein Dritter auf Grund einer unerlaubten Handlung der versicherten Personen geltend macht. Der Kläger verlangt im Rechtsstreit von der Beklagten die Gewährung von Versicherungsschutz für seine Haftung aus einem Vorfall vom 04.10.2014.
Am 04.10.2014 befuhr der Kläger mit seinem Pkw in G. gegen 16:30 Uhr die B xxx. Der Zeuge H. R. bog mit seinem Fahrrad vor dem Fahrzeug des Klägers aus einer untergeordneten Straße in die B xxx ein, um dort in derselben Fahrtrichtung weiterzufahren wie der Kläger. Der Kläger war der Meinung, der Zeuge H. R. habe beim Einbiegen die Vorfahrt des Klägers verletzt. Er machte dies dem Zeugen mit Gesten und - bei heruntergedrehter Seitenscheibe - mit Worten deutlich. Der Zeuge H. R. reagierte darauf, indem er - während der Fahrt, als er sich mit seinem Fahrrad links neben dem Fahrzeug des Klägers befand -, mit seiner Faust gegen die Fahrertür des klägerischen Pkw schlug. Dadurch entstand eine Beule in der Tür. In der Folgezeit versuchte der Kläger durch Gesten und durch bestimmte Fahrmanöver, den Zeugen H. R. zum Anhalten zu bewegen. Der Kläger wollte wegen der Beule an seinem Pkw Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Zeuge H. R. setzte zunächst die Fahrt mit seinem Fahrrad fort, da er bei einem Anhalten eine weitere emotionale Eskalation der Situation befürchtete. Der Kläger fuhr schließlich mit seinem Fahrzeug ein Stück voraus, hielt an und stieg aus dem Pkw aus. Er stellte sich so auf den Gehweg, auf dem inzwischen der Zeuge H. R. fuhr, dass dieser nicht vorbeifahren konnte. Um den Zeugen anzuhalten, ergriff der Kläger den Lenker des Fahrrads und den Arm des Zeugen. Dies führte dazu, dass sowohl der Zeuge mit seinem Fahrrad als auch der Kläger stürzten. Unstreitig konnte der Zeuge H. R. bei dem Sturz seine Schuhe zunächst nicht aus den Klickpedalen des Fahrrads lösen. Weitere Einzelheiten des Geschehens sind streitig. Im Zusammenhang mit dem Geschehen erlitt der Zeuge H. R. Verletzungen, und zwar einen komplizierten Knöchelbruch im linken Fuß und einen Bruch im Bereich der Lendenwirbelsäule.
Wegen des streitgegenständlichen Geschehens wurde der Kläger in einem Strafverfahren durch Urteil des Amtsgerichts Singen vom 03.09.2015 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. Im Urteil stellte das Amtsgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Verletzungen des Zeugen H. R. bei dem gemeinsamen Sturz des Klägers und des Zeugen entstanden seien. Insbesondere sei die Knöchelverletzung des...