Leitsatz (amtlich)

Erleidet ein Beifahrer einen Schwächeanfall, in Folge dessen er dem Fahrer so ins Steuer fällt, dass dieser die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und in den Gegenverkehr gerät, liegt für den Halter des entgegenkommenden Fahrzeuges, mit dem es zu einer Kollision kommt, kein Fall der höheren Gewalt vor, so dass dieser dem - das Unfallgeschehen auslösenden, in dessen Folge schwer verletzten - Beifahrer aus § 7 StVG haftet.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 6 O 227/17)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 14.08.2018, Az. 6 O 227/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26.06.2019.

 

Gründe

Die Klägerin ist die Krankenversicherung ihrer verstorbenen Versicherten, H. R.. Sie macht aus übergegangenem Recht Behandlungskosten als Folge eines Verkehrsunfalls vom 14.12.2016 geltend.

Die Versicherte war zum Unfallzeitpunkt Beifahrerin in einem von dem Zeugen P. geführten PKW. Nach den Feststellungen in einem gegen den Zeugen geführten Strafverfahren kam es zu dem Unfall dadurch, dass die Versicherte plötzlich während der Fahrt mit ihrem gesamten Körpergewicht auf die Fahrerseite kippte, wodurch der Zeuge P. die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, zunächst mit einer Mauer kollidierte und von dort aus in den Gegenverkehr geriet, wo er gegen das von der Beklagten zu 1. geführte Fahrzeug prallte. Die Versicherte wurde mit dem Notarztwagen in das Universitätsklinikum M. verbracht, wo sie knapp 2 Stunden später verstarb. Die Klägerin zahlte die Behandlungskosten sowie die Kosten für den Notarzteinsatz in Höhe von insgesamt 10.140,73 EUR.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin Erstattung der von ihr erbrachten Leistungen geltend gemacht. Die Beklagten sind der Klage mit dem Hinweis entgegengetreten, dass ihrerseits der Unfall weder verursacht noch mitverschuldet worden sei. Die einfache Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs trete vollständig hinter der grob verkehrswidrigen Fahrweise des unfallgegnerischen Fahrzeugs zurück. Dies zeige sich auch darin, dass die Versicherung des Unfallgegners den am Beklagtenfahrzeug entstandenen Schaden zu 100 % reguliert habe.

Mit seinem angegriffenen Urteil hat das Landgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG, ohne dass der Anspruch nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen sei. Nur extreme Ausnahmesituationen könnten als höhere Gewalt die Ersatzpflicht ausschließen, was in dem hier anzunehmenden schlichten "Umkippen der Beifahrerin" noch nicht gesehen werden könne. Auf die Einzelheiten der Urteilsbegründung im Übrigen, insbesondere die weiteren rechtlichen Ausführungen sowie tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts einschließlich der konkreten Antragstellung der Parteien wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren umfassend weiterverfolgen. Das Landgericht habe den Begriff der höheren Gewalt unzutreffend ausgelegt. Bei richtigem Verständnis lasse sich auch der hier vorliegende Sonderfall (gesundheitliche Probleme der Beifahrerin, die hierdurch dem Fahrer ins Steuer fällt) dem Bereich der höheren Gewalt zuordnen, sodass eine Haftung ausscheide. Hinsichtlich des Vorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat beabsichtigt nach Beratung, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Senat ist nach Prüfung der Sach- und Rechtslage davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts ebenso wenig wie eine mündliche Verhandlung geboten ist.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht hier eine umfassende Haftung der Beklagten nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG für die der Versicherten erwachsenen, auf die Klägerin übergegangenen Schäden angenommen. Dieses - auf den ersten Blick angesichts der eindeutig beim Unfallgegner zu sehenden Verursachung eigentümlich wirkende - Ergebnis ist der besonderen rechtlichen Situation geschuldet, dass die als schlichte Beifahrerin in den Unfall verwickelte Versicherte ihre Ansprüche auf § 7 Abs. 1 StVG stützen kann, so dass die Beklagten nur über § 7 Abs. 2 StVG oder ein eigenes Mitverschulden der Beifahrerin nach § 9 StVG ihre Haftun...

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