Leitsatz (amtlich)
Wer bei einer sog. Touristenfahrt auf der Nordschleife des Nürburgrings eine Bergkuppe mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 bis 170 km/h überfährt und daraufhin in der sich anschließenden (allenfalls beschränkt einsehbaren) Linkskurve wegen einer dort befindlichen Betriebsmittelspur, die ein anderer Teilnehmer der Touristenfahrt hinterlassen hat, die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert und verunfallt, trägt wegen der situationsbezogen erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs im Verhältnis zu demjenigen, der die Betriebsmittelspur hinterlassen hat, einen (Mit-)Haftungsanteil von 25 %.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 223/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 24.09.2020, Az. 10 O 223/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29.01.2020.
Gründe
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Klägerin einen Haftungsanteil von 25 % (Betriebsgefahr) zugewiesen hat.
Nach der Überzeugung des Senats ist hinsichtlich des klägerischen Fahrzeugs von einer erhöhten Betriebsgefahr auszugehen, die nicht hinter dem, von dem Landgericht angenommenen schuldhaften Verhalten des Beklagten zu 1. zurücktritt.
Erhöht ist die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kraftfahrzeugbetrieb verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert werden (BGH in NZV 2005, 249; BGH in NJW 2000, 3069; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 17 StVG Rdnr. 11). So ist von einer erhöhten Betriebsgefahr unter anderem bei, "aus ihrer Natur heraus besondere Gefahren mit sich bringenden Fahrmanövern" auszugehen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 17 StVG Rdnr. 11 ff.).
Nach seinen eigenen Angaben überfuhr der klägerische Fahrer vor der Kollision eine Bergkuppe mit einer sich anschließenden (allenfalls beschränkt einsehbaren) Linkskurve mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 bis 170 km/h. Der klägerische Fahrer befuhr die Nordschleife des Nürburgrings, deren Gefahrträchtigkeit dem Senat aus vielen weiteren Verfahren gerade im Zusammenhang mit Touristenfahrten bekannt ist, somit durchaus im "Rennmodus". Dass dies ein "aus seiner Natur heraus besondere Gefahren beinhaltetes Fahrmanöver" darstellt, entzieht sich nach der Überzeugung des Senats einer Diskussion. Weiter war zu beachten, dass der Senat bereits mehrfach entschieden hat, dass im Falle des Überschreitens der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf der Autobahn, grundsätzlich von dem Vorliegen einer erhöhten Betriebsgefahr auszugehen ist, da sich in solchen Situationen der Unfallvermeidungsspielraum nahezu auf null reduziert (OLG Koblenz 12 U 1181/05, Urteil vom 08.01.2007, juris; OLG Koblenz 12 U 313/13, Urteil vom 14.10.2013, juris). Ein Befahren der Nordschleife beinhaltet nach der Überzeugung des Senats ein wesentlich höheres Gefahrenpotential als ein Befahren der Autobahn. Der Unfallvermeidungsspielraum ist somit dort noch wesentlich geringer.
Wie bereits oben ausgeführt, fuhr der klägerische Fahrer nach seinen eigenen Angaben mit einer Geschwindigkeit von 160 bis 170 km/h. Im Ergebnis ist somit eine "Haftungsbeteiligung" der Klägerin in Höhe von 25 % unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. Ein Zurücktreten der Betriebsgefahr kam aus den oben aufgezeigten Gründen vorliegend nicht in Betracht.
Der Senat legt aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 16.259,63 EUR festzusetzen.
Die Berufung ist auf den Hinweisbeschluss des Senates hin zurückgenommen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 14375099 |
ZAP 2021, 743 |
ACE-VERKEHRSJURIST 2021, 4 |