Leitsatz (amtlich)

Trennungs- oder nachehelicher Unterhalt ist grundsätzlich nur aus den von den Ehegatten auch während des Zusammenlebens für Unterhaltszwecke genutzten finanziellen Mitteln zu leisten. Wurde während des ehelichen Zusammenlebens ein Teil der Einkünfte der Ehegatten nicht für den allgemeinen Lebensbedarf verwendet, hat dieses Einkommen - außer bei übertrieben sparsamen Lebensführung - auch nach der Trennung bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben.

Zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von während des ehelichen Zusammenlebens nicht für die laufende Lebensführung eingesetzte Gehaltsbestandteile in Form von Mitarbeiteraktien.

 

Normenkette

BGB § 1361

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Aktenzeichen 208 F 152/20)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 15.09.2020 teilweise dahingehend abgeändert, dass die Verfahrenskostenhilfebewilligung für einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 250,- EUR ab September 2020 nebst eines Unterhaltsrückstands für die Monate Januar bis August 2020 i.H.v. 2.000,- EUR zzgl. Zinsen erfolgt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gebühr nach Ziff. 1912 KV FamGKG ermäßigt sich auf die Hälfte.

 

Gründe

Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch sonst zulässig, insbesondere gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel nur zum Teil Erfolg.

1. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die ehelichen Lebensverhältnisse, welche auch für den Unterhaltsanspruch nach § 1361 BGB relevant sind, durch die während der Ehe nachhaltig erzielten und für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Ehegatten, soweit diese dazu bestimmt sind, den laufenden Lebensbedarf der Familie zu decken, geprägt werden. Denn Trennungs- oder nachehelicher Unterhalt ist grundsätzlich nur aus den von den Ehegatten auch während des Zusammenlebens für Unterhaltszwecke genutzten finanziellen Mitteln zu leisten. Wurde während des ehelichen Zusammenlebens ein Teil der Einkünfte der Ehegatten nicht für den allgemeinen Lebensbedarf verwendet, hat dieses Einkommen auch nach der Trennung bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben. Eine Ausnahme gilt allerdings bei einer übertrieben sparsamen Lebensführung (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 22.06.2016, Az. 7 WF 592/16, Juris).

Um sowohl eine zu dürftige Lebensführung als auch einen übermäßigen Aufwand als Maßstab für Ansprüche auf Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt auszuschließen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Der für eine Korrektur unangemessener Vermögensbildung heranzuziehende Maßstab darf aber nicht dazu führen, dass der Boden der ehelichen Lebensverhältnisse verlassen wird und Einkünfte als eheprägend zugrunde gelegt werden, die auch nach einem objektiven Maßstab nicht für die allgemeine Lebensführung verwendet worden wären (vgl. BGH FamRZ 2007, 1532 und OLG Koblenz aaO.).

Danach ist hier eine Korrektur des ausgewiesenen steuerlichen Bruttoeinkommens vorzunehmen und entgegen der Beschwerde sind die als Aktien ausbezahlten Gehaltsbestandteile nicht der Unterhaltsberechnung zuzuführen.

Zwar kann der Antragsgegner die erhaltenen Aktien seines Arbeitgebers grundsätzlich nach zwei Jahren Haltedauer verkaufen. Die Antragstellerin ist jedoch dem Vortrag des Antragsgegners, dass solche Verkäufe während des ehelichen Zusammenlebens lediglich in dem Umfang erfolgt sind, wie Erlöse zur Begleichung von in den USA - dem Verwahrort der Aktien - anfallende Steuern benötigt wurden, nicht ausreichend entgegen getreten. Somit aber standen Erlöse aus diesen Aktien den Eheleuten während des ehelichen Zusammenlebens nicht für den laufenden Lebensbedarf zur Verfügung. Ebenfalls nicht erkennbar ist, dass dies eine übertriebene sparsame Lebensführung zur Folge hatte.

2. Zutreffend ist allerdings der Beschwerdeangriff gegen die Höhe der vom Familiengericht anerkannten zusätzlichen Altersvorsorge. Denn bei einem Jahresbruttoeinkommen von - ohne die Aktienzuteilungen - lediglich 54.038,50 EUR beläuft sich die zulässige 4%-ige zusätzliche Altersvorsorge auf nur 180 EUR/mtl. (statt der angesetzten 260 EUR/mtl.).

Verweist man die Antragstellerin allerdings darauf, dass die Aktien zum Vermögenserwerb angesammelt wurden, erscheint fraglich, ob daneben überhaupt noch Platz für eine unterhaltsrechtlich zulässige ergänzende Altersvorsorge ist. Im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren ist daher zugunsten der Antragstellerin die gesamte geltend gemachte zusätzliche Altersvorsorge von 260 EUR/mtl. nicht einkommensmindernd beim Antragsgegner zu berücksichtigen. Dabei ist diese Vorgehensweise auch vom Beschwerdeangriff der Antragstellerin umfasst, denn es handelt sich um eine Rechtsfolge des als solchen nicht durchgreife...

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