Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei gemischter Schenkung (Grundstück mit vorbehaltenem Nießbrauch). Pflichtteilsergänzungsanspruch bei gemischter Schenkung. Grundstück mit Nießbrauchsvorbehalt
Normenkette
BGB §§ 516, 2325
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 12.12.2005; Aktenzeichen 15 O 344/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Koblenz vom 12.12.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Antragstellerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsbetrages.
Die Klägerin ist einziges Kind der am 2.11.2004 im Alter von 64 Jahren verstorbenen B. Der Beklagte des beabsichtigten Rechtsstreits (im Folgenden: Beklagter) war deren Lebensgefährte. Die Erblasserin setzte diesen durch notarielles Testament vom 30.7.2002 zu ihrem alleinigen Erben ein. Mit notariellem Vertrag vom selben Tage veräußerte sie an den Beklagten ein Hausgrundstück zum Preis von 52.000 EUR und ließ sich daran ein lebenslanges Nießbrauchsrecht einräumen. Der Wert des Grundstücks war im selben Jahr von einem Sachverständigen auf 127.000 EUR geschätzt worden.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Grundstücksgeschäft stelle eine gemischte Schenkung dar.
Die Klägerin beabsichtigt, folgenden Klageantrag zu stellen:
der Beklagte werde verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2.2005 zu zahlen;
und hat beantragt, ihr für diesen Rechtsstreit Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das LG hat der Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht verweigert, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Ergänzung zu ihrem Pflichtteil gem. § 2325 Abs. 1 BGB, da in der Übereignung des Hausgrundstücks der Erblasserin an den Beklagten eine (teilweise) Schenkung nicht zu erblicken ist.
Ob eine Schenkung vorliegt, richtet sich nach § 516 BGB, d.h., es ist eine vertragliche Einigung darüber erforderlich, dass die erbrachte Leistung ganz oder teilweise unentgeltlich erfolgen sollte (Staudinger/Olshausen, BGB, Juni 1998, § 2325 Rz. 2). Eine solche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Empfänger der Leistung liegt in der Regel vor, wenn Leistung und Gegenleistung zueinander in einem auffälligen, groben Missverhältnis standen. In einem solchen Fall spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Wertdifferenz einig waren, dass also eine teilweise Schenkung erfolgen sollte (BGH v. 27.5.1981 - IVa ZR 132/80, MDR 1982, 39 = NJW 1981, 2458 [2459]). Da die Einigung vor oder bei Erbringung der Leistung - hier der Übereignung des Hausgrundstücks - zustande gekommen sein muss, kann grundsätzlich nur der Wert maßgeblich sein, den der Leistungsgegenstand zu diesem Zeitpunkt hatte (BGH NJW 1964, 1323; Staudinger/Olshausen, BGB, Juni 1998, § 2325 Rz. 3).
Der von der Klägerin angesprochene Meinungsstreit darüber, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei einem vorbehaltenen Nutzungsrecht der Wert im Zeitpunkt der Schenkung oder im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich sein soll (vgl. z.B. BGH v. 17.1.1996 - IV ZR 214/94, NJW-RR 1996, 705 [707] einerseits; OLG Oldenburg v. 10.11.1998 - 5 U 91/98, OLGReport Oldenburg = MDR 1999, 550 = NJW-RR 1999, 734 [735] andererseits), ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Die umstrittenen Rechtsmeinungen betreffen nicht die Frage, ob überhaupt eine Schenkung vorgenommen wurde, sondern spielen erst im Rahmen der Berechnung des Pflichtteils eine Rolle, setzen also voraus, dass eine Schenkung und damit ein Pflichtteilsanspruch bereits feststeht.
Die Klägerin hat nicht dargetan, dass zur Zeit der Zuwendung ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestand. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, wurde der Wert des Grundstücks dadurch vermindert, dass die Erblasserin sich daran im Kaufvertrag ein lebenslanges Nießbrauchsrecht bestellen ließ. Der Wert dieses Nießbrauchsrechtes betrug mindestens 105.550 EUR.
Der Wert eines Nießbrauchs richtet sich grundsätzlich nach der Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten. Da die Erblasserin damals 64 Jahre alt war, betrug ihre weitere Lebenserwartung nach den einschlägigen Sterbetafeln unstreitig knapp 22 Jahre. Dass sie bereits im Jahre 2004 sterben würde, war damals noch nicht erkennbar und hatte daher keinen Einfluss auf die Willensbildung der Vertragsparteien. Insbesondere bestanden bei der Erblasserin, wie der Beklagte unbestritten vorträgt, keinerlei gesundheitliche Probleme. Der Mietwert des 730 m2 großen Haus...