Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 05.08.2011; Aktenzeichen 1 O 14/11)

 

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 5.8.2011 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Es wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum Ablauf des 30.5.2012.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten, Betreiber des ... [X]er Rheinstrands, aus einem Sturz vom 25.6.2010 auf einer nach ihrer Behauptung durch Algenbildung spiegelglatten Stufe - knapp oberhalb der Wasseroberfläche des Rheins (vgl. die Lichtbilder in den Anlagen K 2 = Bl. 62 GA) - wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

Nach § 15 Abs. 2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Pachtvertrag des Beklagten mit der Stadt ... [X] vom 24.3.2009 (Seite 5 der Berufungsbegründung = Bl. 177 GA) ist der Beklagte für den verkehrssicheren Zustand der Anlagen verantwortlich.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt (Schriftsatz vom 19.5.2011 = Bl. 66 GA) beantragt, den Beklagten zu materiellen Unfallfolgekosten (Haushaltsführungsschaden, Heilbehandlung und Fahrtkosten) i.H.v. 28.610,30 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen sowie zu Schmerzensgeld von mindestens 3.000,- EUR nebst Feststellung der Einstandspflicht für Zukunftsschäden und Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. seit Rechtshängigkeit verzinsten 1.307,81 EUR.

Das LG hat die Klage nach Vernehmung der Ehepartner der Parteien über den Zustand der Unfallörtlichkeit abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, den Beklagten treffe schon keine Verkehrssicherungspflicht, da die Gefahr, die sich durch den behaupteten Sturz realisiert habe, erkennbar gewesen sei. Zudem gehörten die Treppen auch nicht zum Betriebsgelände des Rheinstrands.

Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.8.2011 zugestellte, Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 5.9.2011 eingelegten Berufung unter Verweis auf die vom Beklagten in den Allgemeinen Vertragsbestimmungen des Pachtvertrags übernommenen Verpflichtungen.

II. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Berufungsangriffen der Klägerin bleibt der Erfolg versagt.

Die Klage ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Der Klägerin stehen weder vertragliche noch deliktische Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 31, 831 BGB) zu.

Ob Unfallverhütungsvorschriften für den Beklagte eingreifen oder Rechtsnormcharakter i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB haben (nach herrschender Ansicht nicht: OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 752, zitiert nach juris) oder der Beklagte gar Normadressat der Unfallverhütungsverordnung ist, kann dahinstehen, weil der Beklagte nach den zutreffenden Ausführungen des LG schon keine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Ob eine Verkehrssicherungspflicht überhaupt besteht, ist von einer zweiten, erst im Anschluss zu beantwortenden Frage zu trennen, ob der Geschädigte wegen eines Mitverschuldens Ansprüche nur zum Teil oder wegen überwiegenden Mitverschuldens gem. § 254 BGB gar nicht geltend machen kann. Die Frage nach dem Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht ist anhand eines abstrakt generellen Maßstabs zu beurteilen. Dabei ist auf den gesamten potentiell zu schützenden Personenkreis abzustellen, d.h. auf alle denkbaren Verkehrsteilnehmer, die mit der Gefahrenquelle in Berührung kommen können. Der Mitverschuldensanteil des Geschädigten bemisst sich demgegenüber nach konkret individuellen Maßstäben der Person des Geschädigten.

Der Beklagte hat bereits keine Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

Derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urt. v. 8.11.2005 - VI ZR 332/04, zitiert nach juris m.w.N.). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch; eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, d...

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