Leitsatz (amtlich)
Zur Verkehrssicherungspflicht im Falle des Sturzes auf einer Treppe zum Hochaltar in einer Kirche.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 3 O 3593/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.05.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines möglichen Sturzes geltend.
Die zum Unfallzeitpunkt 65-jährige Klägerin, die unter einem zerebralen Aneurysma der Arteria Carotis intera (ACI) leidet, hat anlässlich der Taufe ihres Enkelsohnes am TT.MM.2018 die (...) Kirche in Ort1 besucht. Diese Kirche steht im Eigentum der Beklagten. In der Kirche befindet sich ein Hochaltar, der über vier Treppenstufen erreichbar ist. Hinter dem Altar befindet sich noch eine weitere Treppenstufe. Auf dieser Ebene befindet sich das Taufbecken. Die Bodenfläche und die Treppenstufen sind farblich identisch. Die Stufen sind nicht beleuchtet. Zum Unfallzeitpunkt waren sie auch nicht anderweitig gekennzeichnet.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei auf dem Rückweg vom Hochaltar herunter zum Altarsockel gestürzt, da sie die Stufe nicht wahrgenommen habe. Durch den Sturz sei sie zunächst mit dem Kopf gegen den Altar geschlagen und habe dann versucht, sich mir den Händen abzustützen. Infolge dieses Sturzes habe sie sich beide Handgelenke sowie die rechte Schulter gebrochen, so dass sie sich vom TT.MM.2018 bis zum TT.MM.2018 in stationärer Behandlung im Klinikum (...) befunden habe.
Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weshalb es zum Sturz gekommen sei. Die Stufen im Altarraum seien unzureichend beleuchtet gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 30.000,- EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2018 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund des Unfalls vom TT.MM.2018 in Ort1, in der (...) Kirche, entstanden sind und entstehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten. Selbst wenn die Klägerin tatsächlich gestürzt sei, habe das auf eigener Ungeschicklichkeit beruht. Insoweit habe sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung scheide aus. Bei einer Kirche als Religionsraum seien aufgrund der sakralen Gestaltung besondere Anforderungen an Verkehrssicherungspflichten zu berücksichtigen.
Mit dem 27.05.2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht Osnabrück die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob sich die Klägerin die behaupteten Verletzungen tatsächlich zugezogen habe und ob diese in einem Zusammenhang mit einem Sturz auf einer Treppenstufe oder dem Aneurysma stünden. Der Beklagten sei jedenfalls keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen. Bei Kirchengebäuden und der Gestaltung des Altarraums seien die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Gebäudes und seiner Nutzung ergäben. Aufgrund der besonderen religiösen Rolle des Altars bestehe auch entgegen etwaigen Vorgaben aus der Arbeitsstättenverordnung keine Pflicht, die Stufen dort zu kennzeichnen oder zu beleuchten. Die nachträglich erfolgte Markierung auf der Stufe bedeute nicht, dass ohne diese Markierung eine Verkehrsscherungspflichtverletzung vorgelegen habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie hält an ihrer erstinstanzlich bereits ausgeführten Auffassung fest, es sei nicht mehr zeitgemäß, die Kennzeichnung und Beleuchtung von Treppenstufen in einer katholischen Kirche nicht zu fordern. Es habe insgesamt in der Bevölkerung ein neues Sicherheitsdenken eingesetzt, weshalb auf das Empfehlungsblatt "Kirchliche Gebäude sicher nutzen" der gesetzlichen Unfallversicherung in Zusammenarbeit mit der evangelischen Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz zurückzugreifen sei. In diesem Empfehlungsblatt werde zur Vermeidung von Stolpergefahren in Kirchengebäuden auf geeignete Maßnahmen durch Beleuchten und Kennzeichnen von Stufen verwiesen. Insgesamt stütze sich die erstinstanzliche Entscheidung auf eine obsolete Vorstellung zum Verhalten in e...