Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erstattung vorprozessualer Privatgutachterkosten des in einem Bauprozess beklagten Architekten
Leitsatz (amtlich)
1. Im Vorfeld einer abzusehenden Schadensersatzklage des Bauherrn wegen Fehleinschätzung der Baukosten besteht für einen Architekt in der Regel kein Anlass, sich seinerseits durch einen Privatsachverständigen beraten zu lassen.
2. Durch Vorlage eines derartigen Gutachtens im späteren Rechtsstreit kann es in der Regel auch nicht in die prozessuale Notwendigkeit "hineinwachsen". Maßgeblich für die Erstattungsfähigkeit sind ausschließlich die Umstände bei Erteilung des Gutachtenauftrags - Kostenerstattungsbeschluss zur Entscheidung 5 U 1228/11 OLG Koblenz vom 09.11.2012 - DWW 2015, 104 - 106.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104, 106
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 14.08.2015; Aktenzeichen 6 O 167/02) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 19.08.2015 gegen den Abhilfe- und Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 14.08.2015 betreffend die Kosten des Verfahrens der 1. Instanz (6 O 167/02) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
3. Der Beschwerdewert wird auf 6.600,13 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Beklagte wendet sich zu Unrecht gegen die Nichtberücksichtigung der Kosten der Privatgutachten S. und M. von 6.600,13 EUR.
Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens genügt es nicht, dass es objektiv prozessbezogen ist. Es muss vielmehr auch im Zeitpunkt der Beauftragung notwendig gewesen sein. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex-ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH NJW 2013, 1823). Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde (BGH NJW 2003, 1398; BGH NJW 2006, 2415; BGH NJW 2012, 1370). Deshalb kann die Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von deren Überzeugungskraft abhängig gemacht werden. Mithin kann auch nicht verlangt werden, dass die Partei den Inhalt des Privatgutachtens durch entsprechenden Vortrag in den Rechtsstreit einführt oder das Gutachten selbst im Laufe des Rechtsstreits vorlegt.
Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die Kosten der Privatgutachter nicht erstattungsfähig. Ausweislich der Ausführungen im Kostenfestsetzungsantrag vom 20.12.2012 wurde der Auftrag für die Gutachten bereits vor der Klageerhebung erteilt und diente insoweit nicht einer sachgerechten Rechtsverteidigung. Ob und wann die Gutachten vorgelegt wurden, ist für die kostenrechtliche Betrachtung unerheblich (BGH NJW 2012, 1370), so dass dem Einwand in der Beschwerdebegründung, dass die Gutachten erst nach der erstinstanzlichen Begutachtung vorgelegt worden seien, keine Bedeutung zukommt. Es bleibt deshalb auch unerheblich, ob und welchen Einfluss die Vorlage der Gutachten auf den Prozessverlauf hatten.
Eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei hätte zunächst abgewartet, in welchem Umfang eine Rechtsverfolgung tatsächlich stattfindet, ob und wie durch das Gericht Beweis erhoben wird und welche Ergebnisse diese Beweisaufnahme hervorbringt. Dabei ist zu sehen, dass das Gericht eine Hinweispflicht hat, wenn es den Vortrag für unzureichend erachtet (§ 139 ZPO), so dass der Beklagte dann immer noch hätte reagieren können (hierzu Senat v. 21.06.2012, 14 W 331/12 = NJW-RR 2013, 348). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Senatsentscheidung vom 25.11.2014 (14 W 709/14), wo die Begutachtung erst nach der gerichtlichen Beweisaufnahme beauftragt wurde. Auch die in BauR 2010, 831 veröffentlichte Entscheidung des Senates vom 16.03.2010 (14 W 138/10) ist nicht einschlägig, weil dort die Frage zu entscheiden war, ob sich ein baurechtlicher Laie die Mängelbeschreibung mittels eines Privatgutachtens aufbereiten lassen darf, wenn er dazu persönlich nicht in der Lage ist. Hier ist aber nicht die rechtsverfolgende, sondern mit dem beklagten Architekt eine selbst sachkundige rechtsverteidigende Partei betroffen.
Gründe, die die Beauftragung ansonsten bereits vor Klageerhebung als sachdienlich erscheinen ließen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Zutreffend weist die Beschwerdeerwiderung auf den Umstand hin, dass der Beklagte als Architekt für die von ihm als Kernleistung vertraglich übernommene Kostenermittlung fachlich hinreichend kompetent war. Die Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen (Senat v. 15.05.2012, 14 W 248/12 = AGS 2013, 360).
Fundstellen
Haufe-Index 8821218 |
IBR 2016, 202 |
JurBüro 2016, 149 |
NJOZ 2016, 748 |