Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Straßenverkehr eine Gefährdung durch solche risikoerhöhenden Umstände wesentlich (mit-)begründet, die sich aus einer besonderen Bauart des gefährdeten Fahrzeugs ergeben, wie etwa eine - auch serienbedingte - Tieferlegung und/oder sonstige konstruktive Besonderheit, die zu einer Verringerung der üblicherweise zu erwartenden Bodenfreiheit führen und so ein Aufsetzen begünstigen, muss der Fahrzeugführer dieses seinem Gefahrenkreis zuzurechnende Risikomoment durch erhöhte eigene Aufmerksamkeit und Vorsicht kompensieren (hier: Ferrari F 40 mit serienmäßiger Bodenfreiheit von 12,5 cm).
2. Der Fahrer eines solchen Fahrzeugs muss nicht nur Bodenunebenheiten eine besondere Aufmerksamkeit zuwenden, sondern auch bei starker Fahrbahnwölbung mit einem seitlich abfallenden Fahrbahnrand darauf achten, ob die Straße für sein "nicht alltagstaugliches" Fahrzeug gefahrlos nutzbar ist.
3. Die für die Verkehrssicherungspflicht zuständige Straßenbehörde muss nicht sicherstellen, dass eine Straße von jedem zum Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeug befahren werden kann; eine Zulassung für den Straßenverkehr besagt nichts darüber, in welchen Verkehrssituationen ein Fahrzeug mit einer geringen Bodenfreiheit verkehrstauglich ist oder nicht.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 359/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 17.06.2021, Az. 10 O 359/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28.12.2021.
Gründe
Die beklagte Verbandsgemeinde haftet nicht für den Fahrzeugschaden, der dem Versicherungsnehmer der Klägerin, dem Zeugen S., infolge des klägerseits behaupteten Schadensereignisses vom 24.08.2019 beim Befahren der B.straße in C. entstanden sein soll. Eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten ist nicht gegeben, sodass der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der von ihr erbrachten versicherungsvertraglichen Leistungen aus übergegangenem Recht nicht zusteht.
Selbst wenn man für die weitere Argumentation im vorliegenden Fall den klägerischen Vortrag zum Schadens- und Kausalverlauf folgt (Eintritt des Schadens durch Aufsetzen des streitgegenständlichen Fahrzeugs des Zeugen S. auf dem Kanaldeckel oder dem diesen umgebenden Straßenbelag im Bereich der B.straße in C. in Höhe der dortigen Hausnummer 17), fehlt es an einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten. Es handelt sich hier nicht um eine Gefahrenstelle, deren mangelnde Beseitigung der Beklagten als Amtspflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine allgemeine Rechtspflicht, nicht nur der öffentlichen Hand, im Verkehr Rücksicht auf die Rechtsgüter anderer zu nehmen und vor allem Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefährdungsquelle für Rechtsgüter anderer schafft, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen hat. Verstößt er gegen diese Schutzpflicht, ist er wegen des daraus resultierenden deliktischen Verhaltens schadensersatzpflichtig. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind hierbei diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend zur Schadensverhinderung hält (grundlegend vgl. BGH MDR 1973, 252 ff).
Der Inhalt, der Umfang und die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich zum einen nach den berechtigten Sicherungserwartungen des Verkehrs (Vertrauensschutz, legitime Erwartungen des regulären Nutzers) und andererseits nach der wirtschaftlichen (finanziellen, organisatorischen und personellen) Zumutbarkeit für den Sicherungsverpflichteten.
Grundlage jeder Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht ist zunächst der Verkehrsweg selbst. Hierbei ist auf die Art des Verkehrsweges, auf dessen Lage und Umfeld sowie dessen Verkehrsbedeutung abzustellen, so dass bereits an das Maß der Verkehrssicherungspflicht unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen sind (ständige Spruchpraxis des OLG Koblenz, vgl. Urteile vom 12. März 1997 - 1 U 207/96, vom 10. Dezember 1997 - 1 U 114/96 und vom 11. Februar 1998 - 1 U 139/95 sowie die Beispiele bei Kodal-Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl., S. 1289, 1300 und Bergmann-Schumacher, Kommunalhaftung, 2. Aufl., Rdnrn. 34 f.). Ein weiteres Beurteilungskriterium ist der Vertrauensschutz. Nach diesem Grundsatz darf der Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen, dass sich Dritte verständigerweise auf erkennbare Gefahren einstellen. Entscheidend ist daher, dass derj...