Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 27.11.2002; Aktenzeichen 7 StVK 353/02) |
Tenor
1.
Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 27. November 2002 aufgehoben. Die Justizvollzugsanstalt wird verpflichtet, dem Gefangenen die mit seinem Antragsschreiben vom 9. Mai 2002 beantragten Fotokopien aller vom psychologischen Dienst hinsichtlich seiner Person verwendeten Unterlagen zu überlassen.
2.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Gefangenen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
3.
Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Strafgefangene begehrt Akteneinsicht in Form von Fotokopien "der vom psychologischen Dienst der JVA über meine Person verwendeten Materialien".
Die Strafvollstreckungskammer hat das Begehren zurückgewiesen. Zwar könne dem Gefangenen ein Recht auf Kenntnis des Inhalts dieser Unterlagen nicht abgesprochen werden. In der Regel reiche es jedoch aus, wenn er diese Kenntnis auf die ihm von der JVA angebotene Weise, nämlich durch Auskunftserteilung erhalte. Soweit die JVA dargelegt habe, dass diese Auskunft grundsätzlich in der Form erfolge, dass die entsprechenden Gutachten und Stellungnahmen durch Mitarbeiter des psychologischen Dienstes mit dem Gefangenen mündlich besprochen werden, bestünden gegen diese Vorgehensweise keine Bedenken. Ein Anspruch auf Akteneinsicht sei erst dann anzuerkennen, wenn diese Auskunftserteilung zur Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen nicht ausreichend sei. Der Beschwerdeführer habe die ihm angebotene mündliche Auskunftserteilung jedoch nicht wahrgenommen. Solange er dabei verbleibe, könne auch nicht festgestellt werden, ob er über die Auskunftserteilung hinaus auf Einsicht in die Akten selbst angewiesen sei. Könne aber schon ein Einsichtsrechts nicht bejaht werden, so bestehe erst recht kein Anspruch auf Erhalt von Fotokopien.
Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Strafvollstreckungskammer ist im vorliegenden Fall von ihrer eigenen Rechtsprechung in einem vergleichbaren Fall (7 StVK 956/00 vom 16.05.2002) und von den Vorgaben des Rechtsbeschwerdegerichts in jenem früheren Verfahren (OLG Koblenz 2 Ws 282/00 vom 05.07.2001) abgewichen, sodass zu besorgen ist, dass sich dies auch in künftigen Fällen wiederholt.
Die Rechtsbeschwerde hat auch Erfolg.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Gefangenen ein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht, wenn er (zu Recht) geltend macht, dass auf Grund bestimmter Umstände eine bloße Auskunftserteilung für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreichend und er deswegen auf unmittelbare Einsichtnahme angewiesen sei (OLG Koblenz a.a.O..; OLG München NStZ 01,415; OLG Hamm ZfStrVo 02,314). Die vom Beschwerdeführer beantragten Kopien aus der Akte sind eine Form dieser Akteneinsicht. Ob sie gefordert werden können, richtet sich vor allem danach, welchen Umfang die vom Strafgefangenen benötigten Unterlagen haben und ob sich ihr Inhalt einem Laien beim einmaligen Lesen oder Vorlesen erschließt (OLG Koblenz a.a.O..). Dabei wiederum ist zu beachten, dass es unter Umständen, je nach Lage des Verfahrens, in dem der Gefangene das angestrebte Wissen benötigt (z.B. Verfahren nach § 57 StGB), unter Umständen nicht einmal ausreichend sein wird, wenn sich der Sinn der antragsgegenständlichen Dokumente beim Lesen erschließt. Ist es nach der nicht offensichtlich abwegigen Einschätzung des Gefangenen erforderlich, sich mit einzelnen Argumentationen, ggf. sogar einzelnen Formulierungen psychiatrischer und psychologischer Begutachtungen bzw. Stellungnahmen auseinander zu setzen, ist er auf deren exakten Wortlaut angewiesen. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass ein einmaliges Selbstlesen oder Hören komplexer und komplizierter psychologischer und/oder psychiatrischer Gutachten die nachhaltige, Tage und Wochen überdauernde Kenntnis des exakten Wortlautes einzelner Passagen nicht vermitteln kann.
So liegen die Dinge hier. Der Strafgefangene hat unwidersprochen vorgetragen, allein das (wohl im Erkenntnisverfahren eingeholte) psychiatrische Gutachten von Dr. Schramm habe bereits einen Umfang von 70 Seiten. Es ist daher ohne weiteres davon auszugehen, dass unter Einschluss dieses auch den Anstaltspsychologen als Grundlage dienenden Gutachtens die "vom psychologischen Dienst über meine Person verwendeten Materialien", zu denen je nach Bedarfslage auch die vom psychologischen Dienst selbst erstellten Begutachtungen und Stellungnahmen gehören können, einen Umfang von weit über 100 Seiten haben dürfte. Daraus folgt ohne weiteres, dass der Gefangene, wenn er sich mit diesem Schriftgut intensiv und textnah auseinander setzen will, auf die Kenntnis von dessen exaktem Wortlaut angewiesen ist. Dies ist so offensichtlich, dass es keiner näheren Darlegung bedarf - zumal vor dem Hintergrund einer Ents...