Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreicher Befangenheitsantrag und Vergütung des abgelehnten Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Graphologe erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, führt das nicht zum Verlust des Vergütungsanspruchs, wenn ihm allenfalls eine Ungeschicklichkeit, nicht jedoch ein grobes Fehlverhalten anzulasten ist (hier: Einholung von Schriftproben ohne Ladung der Gegenseite).
Normenkette
JVEG § 4; ZPO § 406; BGB § 276 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Trier (Beschluss vom 12.08.2011; Aktenzeichen 11 O 113/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen Dr. H. wird der Einzelrichterbeschluss der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 12.8.2011 insoweit aufgehoben, als er den Vergütungsanspruch für das unter dem 12.1.2011 überreichte Erstgutachten aberkannt und die Rückzahlung der darauf entfallenen Vergütung angeordnet hat.
Gerichtliche Gebühren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
Das nach § 4 Abs. 3 JVEG statthafte Rechtsmittel, das allein die Honorierung des unter dem 12.1.2011 überreichten graphologischen Erstgutachtens des Sachverständigen zum Gegenstand hat und einen - ebenfalls möglichen - Angriff auch gegen die gerichtliche Entscheidung zur Entgeltung des unter dem 12.5.2011 vorgelegten Ergänzungsgutachtens nicht erkennen lässt, hat in der Sache Erfolg. Dem Sachverständigen steht die streitige Bezahlung zu.
Allerdings ist anerkannt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger ohne Rücksicht auf die inhaltliche Qualität seiner gutachterlichen Leistungen keinen Anspruch auf eine Vergütung aus der Staatskasse hat, wenn seine Arbeit prozessual unverwertbar ist und er dies, bedingt durch gravierende subjektive Versäumnisse, zu vertreten hat (OLG Koblenz VersR 2010, 647; OLGReport Celle 2007, 874; OLGReport Jena 2008, 632; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 8 JVEG Rz. 9). Dazu gehören namentlich Fälle, in denen die Unverwertbarkeit auf einer gerichtlich attestierten Befangenheitsbesorgnis beruht (OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2006, 223 und ZfSch 2010, 268). Eine entsprechende gerichtliche Entscheidung bedingt jedoch nicht automatisch den Fortfall des Vergütungsanspruchs. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob dem Sachverständigen ein grob fahrlässiges Fehlverhalten anzulasten ist. Das setzt voraus, dass er die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was jedem hätte einleuchten müssen (OLGReport Zweibrücken 2008, 33).
Davon kann hier keine Rede sein: Der Sachverständige wurde erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil er in Vorbereitung seines Ergänzungsgutachtens Schriftproben von der Klägerin und deren Angehörigen eingeholt hatte, ohne dazu die Gegenseite zu laden. Auch wenn das - worüber hier nicht zu befinden ist - aus der Beklagtenperspektive auf eine Voreingenommenheit hingedeutet haben mag, lässt sich darauf kein schwerer Verschuldensvorwurf stützen. Der zugrunde zu liegende Beweisbeschluss hatte den Sachverständigen ausdrücklich dazu aufgefordert, die "Schriftproben gezielt zu erheben", ohne dass dazu irgendwelche Auflagen gemacht worden wären. Es ging um eine für einen graphologischen Gutachter routinemäßige Tätigkeit. Dass dabei eine Beeinflussung seiner Person oder Manipulationen zu erwarten standen, denen durch die Beklagte hätte begegnet werden müssen, drängte sich nicht auf. Deshalb gab es aus der Sicht des Sachverständigen keinen zwingenden Grund, sie vorab über die im Einzelnen anstehenden Schritte zu unterrichten.
Zwar hatte es in formularmäßigen Auftragsschreiben an den Sachverständigen geheißen, "die Kontaktaufnahme mit nur einer Partei sollte vermieden" werden. Aber damit war weder ein striktes Verbots formuliert noch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich das bereits auf die bloße Besorgung der Schriftproben und damit auf eben die Maßnahme beziehen würde, die der Beweisbeschluss angeordnet hatte, ohne irgendwelche Spielräume zu eröffnen, die überwachungsbedürftig erschienen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Fundstellen
Haufe-Index 5086709 |
FamRZ 2014, 156 |
JurBüro 2013, 652 |
MDR 2013, 1064 |
BauSV 2015, 70 |
KfZ-SV 2013, 29 |
KfZ-SV 2016, 29 |
KfZ-SV 2018, 28 |
RVGreport 2014, 85 |
DS 2013, 399 |
GuG-aktuell 2014, 24 |
GuG 2014, 249 |
PAK 2014, 19 |