Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr bei wechselseitigem Unterhaltsverzicht. Einigungsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beim gegenseitigen Unterhaltsverzicht
Leitsatz (amtlich)
Die Mitwirkung bei einem gegenseitigen Unterhaltsverzicht löst eine Einigungsgebühr nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG Nr. 1000 aus.
Normenkette
RVG-VV Nr. 1000; BGB §§ 1572-1573, 1576
Verfahrensgang
AG Alzey (Beschluss vom 25.04.2005; Aktenzeichen 1 F 79/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem LG Mainz gegen den Beschluss des AG - FamG - Alzey vom 25.4.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Im vorliegenden Scheidungsverfahren wurde der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Im Termin vom 4.1.2005 schlossen die Parteien folgenden "Vergleich" (für den der Antragsgegnerin gesondert Prozesskostenhilfe bewilligt wurde): "Wir verzichten gegenseitig und dies gegenseitig annehmend auf jeglichen Ehegattenunterhalt (nachehelichen Unterhalt)." Die Ehe wurde durch Urteil vom selben Tage geschieden.
Der Rechtspfleger setzte die Vergütung des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin antragsgemäß auf 1.037,16 EUR fest. Hierin war auch eine 1,5 Einigungsgebühr gem. Vergütungsverzeichnis zum RVG Nr. 1000 i.H.v. insgesamt 283,50 EUR enthalten.
Gegen die Festsetzung legte die Bezirksrevisorin Erinnerung ein, die durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin, mit der geltend gemacht wird, die Einigungsgebühr falle nicht an, weil der Vertrag sich ausdrücklich (nur) auf einen Verzicht beschränke.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Nr. 3 RVG); insb. ist der Beschwerdewert von 200 EUR überschritten. Sie ist aber unbegründet.
Nach Nr. 1000 des RVG-VV entsteht eine (1,5) Einigungsgebühr "für die Mitwirkung bei Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht".
Es steht außer Frage, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin bei Abschluss des Vergleiches "mitgewirkt" hat, nachdem dieser in der mündlichen Verhandlung vom 4.1.2005 geschlossen wurde. Ebenso stellt der "Vergleich" einen Vertrag im Sinne der Vergütungsvorschrift dar.
Die Beschwerde stellt darauf ab, es liege hier (ausschließlich) ein Verzicht vor. Diese im Wortlaut der Anmerkung zu RVG-VV Nr. 1000 vorgesehene Einschränkung ist notwendig, damit nicht schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf die Weiterverfolgung die Gebühr auslöst. Damit könnte etwa ein einseitiger Unterhaltsverzicht ohne irgendwelches Entgegenkommen der Gegenseite die Gebühr nicht auslösen (Bischof et.al., RVG-VV Nr. 1000 Anm. 2.5).
So liegt es hier jedoch nicht. Vielmehr haben beide Parteien wechselseitig auf Unterhalt verzichtet. Damit haben sie zwar keinen "Streit" (denn über den Unterhalt wurde im Verfahren nicht gestritten), aber eine "Ungewissheit" über ein Rechtsverhältnis beseitigt. Wenn auch aktuell kein Unterhalt geltend gemacht wurde, so wäre dies doch in der Zukunft möglich gewesen, und zwar auf beiden Seiten. Jedenfalls die Unterhaltstatbestände der §§ 1572, 1573, 1576 BGB kamen theoretisch in Frage. Wenn nun beide Parteien auf die Geltendmachung solcher Ansprüche verzichten, dann wird damit die nacheheliche Unterhaltssituation für beide geklärt. Nach dem Wortlaut wird zwar ein Verzicht ausgesprochen, der Sache nach handelt es sich aber um ein wechselseitiges Nachgeben, indem jede der Parteien erklärt, einen potentiellen Anspruch nicht geltend machen zu wollen. Es kann dabei unterstellt werden, dass die Erklärung des Antragstellers nicht ohne die der Antragsgegnerin erfolgt wäre. Für eine Einigung im Sinne der Vorschrift reicht es aus, "dass beide Seiten vertragsmäßig etwas anerkennen oder auf etwas verzichten, was sie gefordert haben oder fordern könnten" (Gerold/Schmid/von Eicken, RVG-VV, Nr. 1000 Rz. 28).
Damit steht vom Grundsatz her fest, dass die Einigungsgebühr angefallen ist. Der Höhe nach ist sie entsprechend dem vom AG festgesetzten Streitwert für den Vergleich zutreffend ermittelt; die Streitwertfestsetzung wurde nicht angegriffen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).
Fundstellen
Haufe-Index 1494311 |
NJW 2006, 850 |
FuR 2005, 570 |
NJW-Spezial 2006, 204 |
OLGR-West 2006, 464 |
RVG-Letter 2005, 124 |