Leitsatz (amtlich)

1. Soweit durch Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 20.12.2018 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 - ERVB 2019) an die Einreichung elektronischer Dokumente technische Vorgaben gemacht werden, durch die die gemäß § 5 Abs. 1 ERVV in Verbindung mit Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 19.12.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2018 - ERVB 2018) zugelassenen Versionen des Dateiformats PDF mit weitergehenden Einschränkungen (hier: Einbettung sämtlicher verwendeter Schriftarten) versehen werden, ist dies weder von der Ermächtigungsgrundlage gemäß § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ERVV gedeckt noch mit der von § 5 Abs. 2 ERVV verlangten Mindestgültigkeit technischer Bekanntmachungen vereinbar.

2. Entspricht ein bestimmender Schriftsatz mangels Einbettung sämtlicher verwendeter Schriftarten nicht den Vorgaben in Nr. 1 ERVB 2019 führt dies unabhängig von § 130a Abs. 6 ZPO jedenfalls dann nicht zur Formunwirksamkeit, wenn dieser Schriftsatz im Übrigen den formellen Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO i. V. m. der ERVV entspricht und auf einem nach § 130a Abs. 3 ZPO zugelassenen Weg ordnungsgemäß übermittelt wurde (entgegen: LAG Hessen, Beschluss vom 07.09.2020, 18 Sa 485/20; ArbG Lübeck, Urteil vom 09.06.2020, 3 Ca 2203/19).

3. Zu den Anforderungen an substantiierten Parteivortrag im Rahmen des Dieselskandals bei anderen Motoren als dem Motor EA 189 und allein in Betracht kommenden deliktischen Ansprüchen (hier: Thermofenster).

 

Normenkette

BGB § 826; ERVB 2019 Nr. 1; ERVV § 5; ZPO § 130a

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 4 O 154/19)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 28.04.2020 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 04.12.2020. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 KV zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Skandal Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines Gebrauchtfahrzeugs.

Am 19.06.2015 erwarb der Kläger von einem Kfz-Händler einen gebrauchten ... mit einem Kilometerstand von ca. 73.000 km zu einem Preis von 27.500,00 EUR. Für diesen Fahrzeugtyp wurde die Typengenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. In das Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor der Serie N57 eingebaut. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 5.469,21 EUR und nahm im Übrigen zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs ein Darlehen auf, das er zwischenzeitlich vollumfänglich, d. h. in Höhe von 24.525,00 EUR, bedient hat.

Der Kläger hat sein Begehren erstinstanzlich im Wesentlichen darauf gestützt, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in Form eines Thermofensters verbaut sei. Aus diesem Grund entspreche das Fahrzeug nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Durch den Einsatz des Thermofensters habe die Beklagte zu Lasten der Umwelt Kosten senken und technische Probleme bei der Entwicklung einer technisch und rechtlich einwandfreien Lösung vermeiden wollen. Hieraus ergebe sich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Fahrzeugkäufer.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, der Kläger behaupte das Vorhandenseins eines unzulässigen Thermofensters "ins Blaue hinein". Der Klägervortrag erfolge in Unkenntnis der Funktionsweise des streitgegenständlichen Motors und verkenne den Stand der Motorentechnik zum Zeitpunkt der Entwicklung dieses Motors, also in den Jahren 2005 bis 2007. Zu dieser Zeit habe es keine Abgasnachbehandlung im Sinne heute üblicher NOx-Katalysatoren gegeben. Die einzige technische Möglichkeit zur Reduzierung von NOx-Emissionen sei bei dieser Motorengeneration die auch im klägerischen Fahrzeug realisierte Abgasrückführung. Dabei werde die Abgasrückführungsrate anhand zahlreicher Parameter gesteuert, die einerseits die Emissionsreduzierung und andererseits den Motorschutz gewährleisten sollten. Diese Funktionsweise sei für Motoren der Schadstoffklasse Euro 5 unzweifelhaft zulässig und dem Kraftfahrtbundesamt detailliert bekannt, das die Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug ohne jede Einschränkung erteilt habe. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung scheide daher evident aus.

Hinsichtlich des...

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