Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Rechtsfolgen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung eines Kraftfahrers, der bereits wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten in Erscheinung getreten, finanziell nur eingeschränkt leistungsfähig ist und in der Hauptverhandlung einen Zeugen zum Nachweis seiner angeblich fehlenden Fahreridentität benannt hat.
2. Eine pauschale Verdoppelung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelgeldbuße und Fahrverbotsdauer wegen vorsätzlicher Begehungsweise ist unzulässig.
Verfahrensgang
AG Linz (Entscheidung vom 26.11.2009) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Linz vom 26. November 2009 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 57 km/h zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt. Ihm wird für die Dauer von einem Monat verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Entscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Dem Betroffenen wird nachgelassen, die Geldbuße in drei monatlichen Raten zu zahlen, fällig jeweils am 6. Kalendertag der Monate Mai, Juli und September 2010. Die Vergünstigung der Ratenzahlung entfällt, wenn der Betroffene einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das bezeichnete Urteil des Amtsgerichts Linz wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 57 km/h zu einer Geldbuße von 450 € verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn unter Berücksichtigung der Viermonatsfrist des § 25 Abs. 2a S. 1 StVG ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet.
Nach den Feststellungen des Urteils befuhr er am 9. Oktober 2008 gegen 16.35 Uhr mit einem PKW die Bundesstraße .. mit einer Geschwindigkeit von 157 km/h (unter Berücksichtigung eines Toleranzabzugs von 5 km/h), obwohl durch beidseits der Fahrbahn und vor der Messstelle mehrfach wiederholt aufgestellte Verkehrszeichen die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt war.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II. Das in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel erweist sich dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend als offensichtlich unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
III. Im Rechtsfolgenausspruch hat es einen Teilerfolg. Die Bemessung der Geldbuße und die Bestimmung der Fahrverbotsdauer sind nicht frei von Rechtsfehlern.
Der Bußgeldrichter ist von lfd. Nr. 11.3.6 der Tabelle 1 des Bußgeldkatalogs ausgegangen, der in der zur Tatzeit gültigen Fassung eine Regelgeldbuße von 225 € und ein einmonatiges Fahrverbot vorgesehen habe. Sowohl die Geldbuße als auch die Regeldauer des Fahrverbots hat er im Hinblick auf die vorsätzliche Begehungsweise der Ordnungswidrigkeit verdoppelt. Bei Bestimmung der Fahrverbotsdauer hat er zusätzlich eine besondere charakterliche Ungeeignetheit des Betroffenen berücksichtigt, die sich aus der wider besseres Wissen oder zumindest ins Blaue hinein erfolgten Benennung eines Zeugen als angeblichen Fahrer ergebe. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist die Festsetzung der Rechtsfolgen entsprechend den Sätzen des Bußgeldkatalogs (BKat). Es liegt zwar kein Regelfall der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) vor. Ein solcher ist bei fahrlässiger Begehungsweise der Verkehrsordnungswidrigkeit unter gewöhnlichen Tatumständen gegeben (§ 1 Abs. 2 BKatV). Hier ist dem Betroffenen aber eine vorsätzliche, mit 57 km/h zudem erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung anzulasten. In einem solchen Fall ist die Anordnung des Fahrverbots unmittelbar nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG zu beurteilen (BGH NJW 1992, 449). Art und Höhe der in der BKatV vorgesehenen Rechtsfolgen können jedoch entsprechend berücksichtigt werden. Sind sie schon für eine fahrlässige Verfehlung die angemessene Ahndung, gelten sie erst Recht und mindestens auch für eine vorsätzliche Tatbegehung (OLG Koblenz, Beschl. 1 Ws 103/04 vom 10.5.2004).
b) Allerdings hat der Bußgeldrichter eine hier nicht einschlägige Bestimmung des Bußgeldkatalogs herangezogen. Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 57 km/h gilt nicht Tabelle 1 lfd. Nr. 11.3.6, sondern lfd. Nr. 11.3.8 BKat. Diese sah (ebenso wenig wie die lfd. Nr. 11.3.6) in der zur Tatzeit gültigen Fassung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften nicht eine Geldbuße von 225 €, sondern lediglich von 150 €, daneben ein einmonatiges Fahrverbot vor.
c) Fehlerhaft ist es, die für fahrlässiges Verhalte...