Leitsatz (amtlich)
Hat eine Wettbewerbsverletzung zunächst zu einer Abmahnung und später zu einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geführt, ist Gegenstand der Abmahnung und des anschließenden Verfügungsverfahrens jeweils der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist daher derselbe, die vom Antragsgegner ausgeglichene Geschäftsgebühr (RVG-VV 2300) hälftig auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren anzurechnen. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ordnet die Anrechnung für eine Tätigkeit wegen "desselben Gegenstands" an; ob unterschiedliche Angelegenheiten (§ 17 RVG) vorliegen, ist unerheblich.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104, 106; RVG §§ 15, 15a, 16, 17 Nr. 4 lit. b); RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 04.12.2014; Aktenzeichen 1 HK O 111/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 26.01.2015 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 04.12.2014, zugestellt am 15.01.2015, aufgehoben und der Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin vom 28.10.2014 abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 422,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin für seine vorgerichtliche Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und für seine Tätigkeit im Eilverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zusteht.
Grundsätzlich kann sich der Beklagte auf die Anrechnung der 1,3-Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit auf die 1,3-Verfahrensgebühr des Eilverfahrens nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen, da er ebenso unstreitig die 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgeglichen hat. Ein Ausschluss nach § 15a Abs. 2 RVG kommt deshalb nicht in Betracht. Der Sachverhalt ist also anders gelagert, als in der von der Antragstellerin mitgeteilten Entscheidung des BGH vom 22.06.2011, I ZB 86/10 (GRUR-RR 2011, 392). Nichts anders gilt hinsichtlich der mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegten Entscheidung des BGH vom 07.02.2011, I ZB 96/09 (GRUR-RR 2011, 200). In diesen Verfahren hatte nämlich ausweislich der jeweiligen Sachverhaltsdarstellung wie der Begründung gerade noch kein Ausgleich der Geschäftsgebühr stattgefunden. Da sieht offenbar auch das LG in seiner Nichtabhilfeentscheidung so.
Die Anrechnung scheitert auch nicht daran, dass nach Auffassung der Antragstellerin zwei unterschiedliche Gegenstände mit der vorgerichtlichen Abmahnung einerseits und dem Nachsuchen um einstweiligen Rechtsschutz andererseits vorliegen. Der Gegenstand ist nach herrschender Meinung in allen Angelegenheiten der Unterlassungsanspruch (BGH WRP 2009, 75; OLG Frankfurt RVGreport 2008, 314 = AGS 2008, 442; OLG Hamburg WRP 1981, 470; OLG Karlsruhe AGS 2011, 264; KG JurBüro 2009, 27 und 78). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 2.10.2008 (I ZB 30/08 = WRP 2009, 75) verdeutlicht, dass für einen Rechtsanwalt, der einen Wettbewerbsverletzer zunächst abgemahnt und sodann gegen ihn eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, Gegenstand der Abmahnung und des anschließenden Verfügungs- und Hauptsacheverfahrens jeweils der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch ist. Deshalb ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe (Leitsatz 1 - zitiert nach juris).
Für den Senat ist nicht zu ersehen, dass der Bundesgerichtshof von dieser Auffassung, die der Senat teilt, bisher abgewichen ist. Insbesondere die von der Antragstellerin vorgelegten Entscheidungen lassen dies nicht erkennen, da dem jeweils ein Fall des § 15a Abs. 2 RVG und nicht eine abweichende Sicht zum Gegenstand der Beauftragung zugrunde lag. Der Auffassung der Rechtsprechung wird auch in der Literatur gefolgt. So hat zuletzt Müller-Rabe seine abweichende Auffassung geändert und sich der herrschenden Auffassung angeschlossen (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, 21. Aufl. 2013, Anhang II Rn. 130 m.w.N. aus der Literatur und Rechtsprechung).
Eine andere Sicht der Dinge lässt sich auch nicht mit der Auffassung des LG begründen, dass sich der verschiedene Gegenstand schon daraus ergibt, dass die vorgerichtliche Tätigkeit auf die Vermeidung gerichtlicher Schritte gerichtet und entsprechend beauftragt war. Diese Aufgabe ist der vorgerichtlichen Tätigkeit nämlich immanent. Anderenfalls wäre die Geschäftsgebühr schon nicht notwendig gewesen.
Wie dargelegt sieht der BGH für alle drei Verfahrensabschnitte (vorgerichtliches Abmahnverfahren, Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren) den Unterlassungsanspruch als einheitlichen Gegenstand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Beschwerdewert entspricht dem Umfang der Nachfestsetzung und Anrechnung.
Fundstellen
Haufe-Index 8795656 |
JurBüro 2016, 132 |
AGS 2016, 2 |