Leitsatz (amtlich)
1. Eine Fristverlängerung setzt ein bis zum Ablauf der zu verlängernden Frist vorliegendes vollständiges Fristverlängerungsgesuch voraus.
2. Einem erstmaligen, ohne jegliche Begründung gestellten Fristverlängerungsantrag ist grundsätzlich nicht immanent, dass der Verfahrensbevollmächtigte wegen Arbeitsüberlastung auf eine Fristverlängerung angewiesen ist, so das auf eine antragsgemäßen Entscheidung nicht vertraut werden kann.
3. Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um dafür Sorge zu tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch gar nicht erst notwendig wird. Wird die beantragte Fristverlängerung mit der Einwilligung des Gegners begründet, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers sicher zu stellen, dass die Genehmigung der Gegenseite bis zum Ablauf der zu verlängernden Frist dem Gericht entweder vorliegt oder kommuniziert wurde.
4. Die Corona-Pandemie hat nicht zu einem Zustand nahe des Stillstands der Rechtspflege geführt, bei dem Verzögerungen des Rechtsstreits infolge von Fristverlängerungen auszuschließen sind.
Normenkette
FamFG §§ 113, 117 Abs. 1 S. 4, Abs. 5; ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233, 520 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Neuwied (Aktenzeichen 25 F 142/19) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt in einem Verfahren wegen Trennungsunterhalts die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Beschwerdebegründungsfrist.
Mit Beschluss vom 20.01.2020 hat das Familiengericht den Antragsgegner unter Antragsabweisung im Übrigen verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum vom 1.6.2018 bis zum 31.5.2019 in Höhe von 5.132,00 EUR zu zahlen sowie der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu 73 % und dem Antragsgegner zu 27 % auferlegt. Der Beschluss ist beiden Beteiligten jeweils am 21.01.2020 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 20.02.2020, beim Familiengericht eingegangen am 21.02.2020, hat die Antragstellerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 17.03.2020, der beim Oberlandesgericht per Telefax am 18.03.2020 sowie im Original per Post am 19.03.2020 und elektronisch am 20.03.2020 eingegangen ist, hat die Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 21.04.2020 beantragt. Eine Begründung des Antrags enthielt der Schriftsatz nicht (Bl. 6, 7, 9 d. e-Akte).
Mit Verfügung vom Freitag, den 20.03.2020, hat der Vorsitzende des Senats beide Beteiligten darauf hingewiesen, dass "mangels Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ohne Zustimmung der Gegenseite eine Fristverlängerung nicht zu gewähren sein dürfte". Zugleich hat er bei der Beschwerdegegnerseite angefragt, ob der beantragten Fristverlängerung zugestimmt werde und diese Anfrage auch der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gegeben (Bl. 8 d. e-Akte). Diese Verfügung wurde am 23.03.2020, einem Montag, elektronisch per beA an die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten versandt.
Mit Schriftsatz vom 24.03.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht Koblenz am Mittwoch, den 25.03.2020, hat der Beschwerdegegnervertreter sein Einverständnis zur Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gegenüber dem Senat erklärt (Bl. 10 d. e-Akte).
Hieraufhin hat der Vorsitzende nach Beratung des Senats mit Verfügung vom 01.04.2020 den Fristverlängerungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass eine Fristverlängerung nur erfolgen könne, wenn bis zum Ablauf der zu verlängernden Frist ein vollständiges Fristverlängerungsgesuch vorliege. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die erteilte Einwilligung sei erst nach Fristablauf bei dem Oberlandesgericht eingegangen, sodass bei Fristablauf am 23.03.2020 - einem Montag - kein vollständiges Fristverlängerungsgesuch vorgelegen habe (Bl. 11 d. e-Akte). Die Verfügung ist dem Antragstellervertreter am selben Tag zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 09.04.2020, der ebenfalls die Begründung der Beschwerde enthält, beantragt die Antragstellerin und Beschwerdeführerin nunmehr die Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist.
Sie trägt unter anwaltlicher Versicherung des Sachverhalts vor, dass sie auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung habe Vertrauen dürfen. Die in der die Fristverlängerung ablehnenden Verfügung vom 01.04.2020 zitierten Gerichtsentscheidungen bezögen sich lediglich auf die zweite Fristverlängerung. Der Senat habe es unterlassen, darauf hinzuweisen, dass nach seiner Auffassung auch die Zustimmung des Beschwerdegegners zur Fristverlängerung innerhalb der laufenden Frist vorliegen müsse. Zudem sei die Verfügung vom 20.03.2020 so zu verstehen gewesen, dass auf jeden Fall die Zustimmung der Gegenseite für eine Fristverlängerung vorliegen müsse. Dies sei bei einer erstmaligen Fristverlängerung nicht zutreffend. Aufgrund der Verfügung des Senats vom 20.03.2020 (formlos...