Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 3 O 360/19)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt.

 

Gründe

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (durch Urteil) nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt (§ 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV, § 831 BGB) zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aktivlegitimiert und die Beklagte zu 2. (im Folgenden Beklagte) passivlegitimiert ist, denn unabhängig von der Frage der Passivlegitimation verhelfen die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung der Klage nicht zum Erfolg.

1. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich insbesondere nicht aus § 826 BGB. Der Klägerin ist von der Beklagten nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Klägerin als unzulässig gerügten Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. "Thermofensters" und der weiteren bzw. mit dem Thermofenster zusammenhängenden, als "vier Abschalteinrichtungen" gerügten Steuerungsparameter des streitgegenständlichen Emissionskontrollsystems im Hinblick auf Umgebungstemperaturen, Drehzahl, Fahrgeschwindigkeit und Umgebungsluftdruck.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflichtverletzung begeht und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Handelns hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Handelns als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (statt aller: BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rdnr. 15 m.w.N.). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB [2014] § 826 Rdnr. 31).

Der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung kann grundsätzlich dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornimmt, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entspricht. Das von dem Fahrzeughersteller erstrebte Ziel der Erhöhung des Gewinns (durch kostengünstigere Produktionen) ist dann als verwerflich anzusehen, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typengenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde - des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV) - erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt. Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint. Gerade wenn die Käufer sich keine konkreten Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machen, ist das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs unter diesen Umständen als sittenwidrig zu beurteilen (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rdnr. 21 ff.). Da ein Fahrzeug, das eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist, im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Käufers nicht voll brauchbar ist, weil es einen verdeckten Sachmangel aufweist, der zu einer Betriebsbeschränkung oder Betriebsuntersagung führen kann, entsteht dem Käufer durch den Abschluss eines Kaufvertrags über eine für seine Zwecke nicht...

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