Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstpersönliche Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zustimmung des einen Elternteils zur Übertragung des Sorgerechts auf den anderen ist höchstpersönlicher Natur. Sie kann daher nicht durch den Verfahrensbevollmächtigten schriftsätzlich oder im Gerichtstermin erklärt werden.
2. Die Zustimmung des einen Elternteils zur Übertragung des Sorgerechts auf den anderen muss unbedingt erfolgen.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; FamFG § 11 S. 5, § 160 Abs. 1; ZPO § 85
Verfahrensgang
AG Worms (Beschluss vom 08.05.2015; Aktenzeichen 1 F 94/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Worms vom 08.05.2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - Familiengericht - Worms zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt...[A],...[Y], bewilligt.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. [B],...[X], bewilligt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache, weil das amtsgerichtliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung eine umfangreiche Beweiserhebung notwendig wäre und der Antragsgegner die Zurückverweisung - hilfsweise mit der Beschwerdebegründung vom 24.07.2015 - beantragt hat, § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG.
Das AG hat sich nicht hinreichend vom Vorliegen einer Zustimmung des Antragsgegners gem. § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB überzeugt. Das Gericht muss sich im Rahmen einer persönlichen Anhörung nach §§ 26, 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG von der Wirksamkeit, Reichweite, Ernsthaftigkeit und Freiwilligkeit der von ihm angenommenen Zustimmung überzeugen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.02.2010 - 6 UF 140/09 = FamRZ 2010, 1680, 1681). Haben erst- und/oder zweitinstanzliches Gericht die Anhörung nicht bzw. ggf. nicht erneut vorgenommen, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der in der Regel jedenfalls dann zur Aufhebung der Entscheidung zwingt, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Verletzung der Anhörungspflicht die angefochtene Sachentscheidung beeinflusst hat (Zorn in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Auflage [2013], § 160 FamFG, Rn. 18).
So liegt der Fall aber hier:
Der Antragsgegner hat zu keinem Zeitpunkt - weder schriftlich noch persönlich - erklärt, er stimme einer Sorgerechtsübertragung - bedingungslos - zu. Das AG hat eine solche Zustimmung aber dennoch angenommen und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.
In seiner persönlichen Anhörung vom 06.10.2014 hat der Antragsgegner noch erklärt, er stimme der Übertragung der elterlichen Sorge nicht zu. Seine Verfahrensbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 05.01.2015 erklärt, dass der Übertragung nicht entgegen getreten werde, wenn die Auskunftsrechte nach § 1686 BGB gewährleistet seien. So verhält sich auch das Schreiben der Sozialpädagogischen Familienhilfe vom 12.02.2015. Sowohl der Vertreter der Antragstellerin als auch die Verfahrensbeiständin des Kindes haben auf Anfrage des AG zwar mitgeteilt, dass auf eine erneute Anhörung der Beteiligten und damit auch des Antragsgegners verzichtet werde.
Der Antragsgegner hat einen verfahrensrechtlich relevanten Verzicht auf eine Anhörung jedoch nicht, und zwar auch nicht durch seine Bevollmächtigte, erklärt. Vielmehr hat er noch mit Schreiben vom 20. und 28.03.2015 zum Ausdruck gebracht, dass er nur unter Bedingungen mit einer Sorgerechtsübertragung einverstanden sei. Das AG durfte daher nicht von einer unbedingten Zustimmung ausgehen. Eine solche ist aber Grundlage des angefochtenen Beschlusses, der sich auf § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB stützt. Soweit das Jugendamt mit Schreiben vom 29.04.2015 mitgeteilt hat, dass der Antragsgegner einer bedingungslosen Übertragung zustimme, bestätigt schon sein Schreiben vom 19.05.2015, dass er eine solche gerade nicht erklärt hat.
Soweit die erstinstanzliche Bevollmächtigte des Antragsgegners als Reaktion auf die Mitteilung des Jugendamts für den Antragsgegner einer Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter zugestimmt hat, ersetzt das die nur unter den Bedingungen des § 160 Abs. 3 FamFG entbehrliche persönliche Anhörung des Vaters nach § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht. Zwar gilt nach § 11 Satz 5 FamFG § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO, d.h. die vom Bevollmächtigten vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind für den Beteiligten verpflichtend. Das gilt aber auch i.S.d. § 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht für die - höchstpersönliche - Zustimmung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB, die gerade keine Verfahrenshandlu...