Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Gerichts am Wohnort des Beklagten bei Kaufvertrag iPhone über Internet, Fehlen einer vereinbarten Eigenschaft
Verfahrensgang
AG Diez (Aktenzeichen 8 C 150/10) |
Tenor
Zuständig ist das AG Passau.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache.
Der Kläger, der in H. im Bezirk des AG Diez wohnt, erwarb von dem Beklagten, der in Passau wohnt, über das Internet ein Apple iPhone. Der Kläger, der das Gerät noch in Besitz hat, ist der Auffassung, dass dem Gerät eine vertraglich vereinbarte Eigenschaft fehlt. Er forderte den Beklagten vergeblich zur Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des iPhone auf.
Mit seiner bei dem AG Diez erhobenen Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises zzgl. der gezahlten Versandkosten, insgesamt 705,90 EUR, Zug um Zug gegen Rückgabe des iPhone. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme in Annahmeverzug befindet. Auf Hinweis des AG an die Parteien hat der Kläger mit Einverständnis des Beklagten die Verweisung an das AG Passau beantragt. Durch Beschluss vom 18.2.2010 hat das AG Diez sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Passau verwiesen; wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf GA 12 Bezug genommen. Durch Beschluss vom 30.3.2010 hat das AG Passau die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Das AG Passau ist der Auffassung, das AG Diez sei unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Der Verweisungsbeschluss des AG Diez entfalte keine Bindungswirkung. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf GA 15 f. Bezug genommen.
Das AG Diez hat die Sache dem OLG Koblenz zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Das OLG Koblenz ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Gerichtsstandsbestimmung zuständig. Der Kläger hat gem. §§ 12, 13 ZPO seinen allgemeinen Gerichtsstand an dem für seinen Wohnort H. örtlich zuständigen AG Diez. Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten, der in Passau wohnt, liegt nach §§ 12, 13 ZPO bei dem AG Passau. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist der BGH. Zur Gerichtsstandsbestimmung ist das OLG Koblenz berufen, weil der Kläger das in diesem Bezirk gelegene AG Diez mit der Sache befasst hat.
Die Zuständigkeitsbestimmung kann auch ohne Antrag der Parteien auf Vorlage eines der beteiligten Gerichte erfolgen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 37 Rz. 2 m.w.N.), hier des AG Diez.
Die Voraussetzungen für die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das AG Diez und das AG Passau haben sich jeweils durch unanfechtbaren Beschluss für unzuständig erklärt.
Als örtlich (und sachlich) zuständiges Gericht ist das AG Passau zu bestimmen. Das AG Passau ist zuständig, weil es nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO an den Verweisungsbeschluss des AG Diez vom 18.2.2010 gebunden ist.
1. Verweisungsbeschlüsse sind nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Interesse der Prozessökonomie sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkter Verzögerungen und Verteuerungen in der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung (BGH, Beschl. v. 27.5.2008 - X ARZ 45/08, NJW-RR 2008, 1309, Tz. 6 m.w.N.). Einem Verweisungsbeschluss kann daher die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (BGH, a.a.O.). Hierfür genügt es aber nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, a.a.O., m.w.N.).
2. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die durch das AG Diez ausgesprochene Verweisung nicht als willkürlich anzusehen.
Das AG Passau ist als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten nach §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
Eine Zuständigkeit des AG Diez kommt allein unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO in Betracht. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Das AG Diez hat mit jedenfalls nicht unvertretbaren Erwägungen angenommen, dass der Erfüllungsort für das Klagebegehren des Klägers nicht an seinem Wohnsitz, sondern am Wohnsitz des Beklagten in...