Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Vergleichs zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer hinsichtlich der Anrechnung der Geschäftsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Schließen Versicherer und Versicherungsnehmer einen Vergleich in einem Rechtsstreit, in dem die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung des Versicherungsnehmers nicht eingeklagt war, unterbleibt eine Anrechnung, wenn der Wortlaut des Vergleichs keinen Anhalt dafür bietet, dass sämtliche Ansprüche aus dem streitigen Rechtsverhältnis einschließlich aller Neben- und Kostenansprüche verglichen wurden. Ist nur der originäre Leistungsanspruch aus dem Versicherungsfall Gegen-stand des Vergleichs, ist damit die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Vertretung des Versicherungsnehmers durch den Vergleich nicht tituliert.

 

Normenkette

RVG § 15a; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; ZPO §§ 91, 104, 106; BGB §§ 133, 157, 779

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 09.02.2012; Aktenzeichen 16 O 325/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 24.2.2012 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 9.2.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 558,70 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Wenngleich mit anfechtbarer Begründung, so doch im Ergebnis zu Recht hat der Rechtspfleger die Anrechnung der vorgerichtlich auf Klägerseite entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zur Hälfte, höchstens mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV abgelehnt.

Die Frage, ob die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, bestimmt sich nach § 15a Abs. 2 RVG. Hiermit setzt sich - das ist der Beschwerdeführerin zuzugeben - der angefochtene Beschluss nicht auseinander, ohne dass sich daraus jedoch ein ab- weichendes Ergebnis ergibt. Der Verweis des Rechtspflegers auf die Entscheidung des BGH (vom 7.12.2010 - VI ZB 45/10) ist verfehlt, weil der dort geschlossene Prozessvergleich einen anderen Wortlaut hatte. Es hätte der Auseinandersetzung mit dem konkreten Sachverhalt bedurft.

Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich die Beklagte auf die Anrechnung nur berufen, soweit sie eine der beiden Gebühren erfüllt hat, die Geschäftsgebühr gegen sie tituliert wurde oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen sie geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Dass die Beklagte auf die vorgerichtliche Geschäftsgebühr Zahlungen geleistet hat, wird nicht behauptet. Ausweislich der Antragstellung wurde die Geschäftsgebühr im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht. Anders als die Beklagte meint, ist die Geschäftsgebühr auch nicht mit Ziff. 1) des zwischen den Parteien geschlossenen und festgestellten Vergleiches tituliert. Die Geschäftsgebühr wird in Ziff. 1) des Vergleiches nicht ausdrücklich erwähnt. Der Wortlaut beschränkt sich auf die Ansprüche aus dem Versicherungsfall, d.h. auf die Ansprüche zur Hauptsache und umfasst nicht alle Ansprüche aus dem streitigen Rechtsverhältnis einschließlich aller Neben- und Kostenansprüche. Dies ergibt auch ein einfaches Rechenbeispiel: Der geschuldete Gesamtbetrag von 9.714,51 EUR dividiert durch den monatlichen Betrag von 511,29 EUR entspricht exakt 19 Monatsraten. Inwieweit hier eine potentielle Geschäftsgebühr eingerechnet sein soll, erschließt sich nicht. Dies gilt umso mehr als die Geschäftsgebühr nicht eingeklagt war und deshalb zunächst auch kein Anlass für eine Einbeziehung in den Vergleich bestand. Nichts hätte näher gelegen, als im Vergleich eine Anrechnung der vorgerichtlichen Gebühren ausdrücklich zu erwähnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Der Beschwerdewert entspricht der hälftigen Verfahrensgebühr zzgl. der Umsatzsteuer.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3628134

JurBüro 2013, 254

AGS 2013, 198

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?