Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch des gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer verklagten Versicherers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden der auswärtige Versicherer und der in Gerichtsnähe wohnhafte Versicherungsnehmer gemeinsam verklagt, besteht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Unterbevollmächtigten, wenn dem Versicherer zuzumuten war, einen Anwalt am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu informieren.

2. Der Versicherer hat im Kostenfestsetzungsverfahren darzulegen, dass er weder eine Rechtsabteilung noch sonstige Mitarbeiter hat, die in der Lage waren, einen gerichtsnahen Anwalt schriftlich zu informieren.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 286; RVG §§ 6-7; RVG-VV Nr. 3100 ff., Nrn. 3400-3401

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Beschluss vom 19.01.2007; Aktenzeichen 1 O 255/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den zu ihren Gunsten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 19.1.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Beklagten zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 3.036,76 EUR.

 

Gründe

Das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg.

Die in Gerichtsnähe ansässige Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2), die als deren Versicherer in erster Instanz in den Rechtsstreit einbezogen und dann an dem allein zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ausgetragenen Berufungsverfahren nicht mehr beteiligt war, machen im vorliegenden Festsetzungsverfahren für beide Rechtszüge neben den Kosten ihrer am auswärtigen Geschäftssitz der Beklagten zu 2) niedergelassenen Hauptbevollmächtigten, die außer Streit sind, die Kosten gerichtsnah ansässiger Unterbevollmächtigter geltend. Diese, letztgenannten Kosten hat die Rechtspflegerin nicht für erstattungsfähig erachtet.

Demgegenüber meinen die Beklagten, dass sie befugt gewesen seien, in der Nähe der Beklagten zu 2) tätige Anwälte mit ihrer Rechtsverteidigung zu beauftragen und der Kläger deshalb außer für deren Kosten auch für die Kosten der Unterbevollmächtigten aufzukommen habe. Das trifft indessen nicht zu. Vielmehr waren die Beklagten gehalten, ihre Prozessvertreter aus dem Kreis der gerichtsnahen Anwälte am Wohnsitz der Beklagten zu 1) zu wählen; darauf hat die Rechtspflegerin zu Recht abgehoben.

Das entsprach den Belangen der Beklagten zu 1). Die Interessenlage der Beklagten zu 2) gebot nichts anderes. Allerdings hat der BGH mehrfach entschieden, dass eine Prozesspartei einen Anwalt in ihrer Nähe mandatieren darf und der in die Kosten verurteilte Verfahrensgegner dann nicht nur für dessen Gebühren, sondern auch - jedenfalls im Rahmen dessen großzügig bemessener (fiktiver) Reisekosten - für die Gebühren des Unterbevollmächtigten einstehen muss (vgl. nur BGH JurBüro 2004, 233; BGH JurBüro 2005, 93; BGH v. 28.6.2006 - IV ZB 44/05, BGHReport 2006, 1334 = NJW 2006, 3008). Dabei ging es jedoch um Situationen, in denen die persönliche Kontaktaufnahme der Partei mit ihren Prozessvertretern zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung geboten war. Diese Voraussetzungen sind zwar in einer Vielzahl von Fällen erfüllt. Aber es kann nicht angenommen werden, dass sie auch hier gegeben gewesen wären.

Es ist weder behauptet noch sonst ersichtlich geworden, dass die Beklagte zu 2) als großer Versicherer ohne Rechtsabteilung wäre und auch keine Mitarbeiter beschäftigte, die in der Lage gewesen wären, Anwälte am Sitz des Prozessgerichts hinlänglich schriftlich zu informieren. Die Beklagten haben sich, ohne sich näher zur internen Organisation der Beklagten zu 2) zu äußern, auf den Hinweis beschränkt, dass es sich bei den Hauptbevollmächtigten um die Hausanwälte der Beklagten zu 2) gehandelt habe und es um einen nicht einfach gelagerten Sachverhalt gegangen sei. Das reicht jedoch nicht hin, um die Notwendigkeit (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) der streitigen Kosten zu bejahen (vgl. BGH VersR 2005, 1305; BGH NJW 2006, 3008).

Die prozessuale Erforderlichkeit der für die zweite Instanz geltend gemachten Kosten der Unterbevollmächtigten fehlt darüber hinaus bereits ohne Weiteres deshalb, weil die Beklagte zu 2) nur in erster Instanz verfahrensbeteiligt war. Nachdem die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen worden und lediglich die Beklagte zu 1) verurteilt worden war, hatte nur diese, nicht aber auch der Kläger, Berufung eingelegt. Deshalb war jetzt ausschließlich auf die Lage der Beklagten zu 1) abzustellen, die sich vor Ort befand und ihre Prozessvertretung nicht auf Kosten des Klägers in die Hände gerichtsferner Hauptbevollmächtigter legen durfte, die dann wiederum Unterbevollmächtigte einschalteten.

Der Kostenausspruch beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1716483

JurBüro 2007, 370

VersR 2007, 1245

AGS 2008, 154

RVGreport 2008, 147

OLGR-West 2007, 687

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