Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtige Sachbehandlung des Gerichts durch versäumte Rückforderung der Vergütung des erfolgreich abgelehnten Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Führt ein Sachverständiger seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grob fahrlässig herbei, erhält er keine Vergütung aus der Staatskasse. Lässt diese den Rückforderungsanspruch hinsichtlich der bereits gezahlten Vergütung anschließend verjähren, liegt darin ein grobes gerichtliches Versäumnis, das die Nichterhebung der verauslagten Kosten erfordert.
2. Es ist nicht Aufgabe der Parteien oder ihrer Bevollmächtigten, die Beachtung gerichtlicher Pflichten zu überwachen oder gar die Staatskasse auf die drohende Verjährung des Rückforderungsanspruchs hinzuweisen.
Normenkette
GKG §§ 21, 66; JVEG §§ 2, 4, 8; ZPO §§ 406, 42; BGB §§ 195 ff.
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 08.11.2012; Aktenzeichen 9 O 247/05) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten wird der Nichtabhilfebeschluss des LG Mainz vom 8.11.2012 aufgehoben und Ziff. 3 des Beschlusses des LG Mainz vom 29.8.2012 geändert:
Die an den Sachverständigen Dipl.-Ing. XXX ausgezahlten gerichtlichen Kosten i.H.v. 4.215,85 EUR (Anordnung vom 18.10.2007) und 441,48 EUR (Anordnung vom 10.6.2008) bleiben außer Ansatz.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige erstellte ein Gutachten und ein erstes Ergänzungsgutachten. Seine Aufwendungen wurden ihm entsprechend der im Entscheidungssatz genannten Auszahlungsanordnungen vergütet.
Im Rahmen eines zweiten Ergänzungsgutachtens wurde der Sachverständige mit Beschluss vom 23.12.2008 für befangen erklärt. Die Zahlung der für dieses Gutachten entstandenen, gemäß einer dritten Rechnung beanspruchten weiteren Kosten von 1.153,35 EUR wurde mit Beschluss des LG vom 4.2.2010 verweigert, weil der Sachverständige seine Ablehnung grob fahrlässig verschuldet habe. Eine Rückforderung der bereits ausgezahlten Beträge unterblieb.
Die Parteien beendeten das Verfahren durch Vergleich am 20.3.2012, wobei die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden. Im Rahmen der Kostenausgleichung fiel auf, dass die Rückforderung der dem Sachverständigen ausgezahlten Vergütung von insgesamt 4.567,33 EUR seitens des Gerichts und/oder der Staatskasse versäumt worden war. Auf Antrag der Klägerin und der Bezirksrevisorin beim LG, ordnete die Einzelrichterin des LG mit dem angefochtenen Beschluss zu Ziff. 1 an, dass der Sachverständigen die erhaltene Vergütung zurück zu zahlen habe. Zugleich stellte sie fest, dass die von ihm erhobene Verjährungseinrede begründet sei (Ziff. 2) und lehnte (Ziff. 3) den Antrag der Klägerin, die Kosten des Sachverständigen niederzuschlagen, ab.
Gegen die verweigerte Niederschlagung richteten sich die rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerden beider Parteien. Nach für begründet erklärter Selbstablehnung der Richterin hat der sie vertretende Einzelrichter des LG mit Beschluss vom 8.11.2012 der Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt. Er ist der Auffassung, die unterlassene Rückforderung sei ein "leichter Verfahrensverstoß", der keine Niederschlagung rechtfertige. Angesichts der Vielzahl der täglich anfallenden Geschäfte könne eine Rückforderung schon einmal in Vergessenheit geraten. Die Beschwerde der Beklagten hat er bisher nicht beschieden.
II. Die gem. § 66 Abs. 2 GKG zulässigen Beschwerden beider Parteien sind begründet. Es liegt eine unrichtige Sachbehandlung von erheblichem Gewicht vor, die die Niederschlagung dieser Kosten zwingend erfordert (§ 21 Abs. 1 GKG).
II.1. Es ist anerkannt, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger ohne Rücksicht auf die fachliche Qualität seiner Leistungen keinen Anspruch auf eine Vergütung aus der Staatskasse hat, wenn seine Arbeit prozessual unverwertbar ist und er dies, bedingt durch grob fahrlässige Versäumnisse, zu vertreten hat (OLGReport Celle 2007, 874; OLGReport Jena 2008, 632 und 2008, 760; OLG Naumburg 10 W 15/07 - Beschluss vom 18.7.2007; LG Wuppertal VersR 2007, 1675; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 8 JVEG Rz. 9). Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Unverwertbarkeit auf einer erfolgreichen Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit beruht (OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2006, 223; OLGReport Zweibrücken 2008, 33).
Indem hier die Ablehnung grob fahrlässig herbeigeführt worden ist, haben alle vom Sachverständigen vorgelegten Gutachten ihren prozessualen Nutzen verloren (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 406 Rz. 15; Huber in Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 406 Rz. 18; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rz. 66; Zimmermann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 406 Rz. 16). Das schließt eine Vergütung zu Lasten der Parteien aus.
II. 2. Das hat der seinerzeit zuständige Einzelrichter nach Intervention des Klägervertreters auch erkannt und mit Beschluss vom 4.2.2010 die Auszahlung der weiter beanspruchten Vergütung verweigert. Weshalb er auf die Anordnung der Rückzahlung de...