Leitsatz (amtlich)
Wird ein Pferd einer selbständigen Pferdewirtschaftsmeisterin zum eigenständigen Beritt übergeben und erfolgt die Ausbildung des Tieres bereits mehrere Wochen (5 × wöchentlich jeweils 60 Minuten), so tritt die Tierhalterhaftung nicht ein, wenn die Ausbilderin erstmals das Pferd außerhalb der Reithalle reitet und es hierbei zum Durchgehen mit nachfolgendem Sturz kommt. Die Gefährdungshaftung des Tierhalters greift in diesem Fall der vollständigen und längerfristig angelegten vertraglichen Übernahme der Verantwortung für das Tier durch den Tieraufseher bei Verletzung desselben nicht ein.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 07.10.2016; Aktenzeichen 8 O 216/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Koblenz vom 7.10.2016 (Az.: 8 O 216/15) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des aufgrund des Urteils sowie des Beschlusses zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 25.040 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Pferdehalterin auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Reitunfalls in Anspruch.
Die Klägerin arbeitet als selbständige Pferdewirtschaftsmeisterin auf dem A hof in B. Die Beklagte ist Eigentümerin und Halterin des im Jahr 2014 vierjährigen Pferdes "G", welches sie ab Ende März 2014 der Klägerin zum Beritt übergeben hatte. Seither ritt die Klägerin das Pferd fünfmal wöchentlich jeweils für 60 Minuten und erteilte im Wechsel der Beklagten Reitunterricht.
Am 22.4.2014 wollte die Klägerin wie zuvor das Bereiten des Pferdes in der Dressurhalle durchführen. Da dort jedoch viel Betrieb herrschte, ritt sie das Pferd nach draußen in Richtung zu einem Außenreitplatz. Bis dahin hatte die Klägerin das Pferd nur in der Reithalle geritten und wollte es nun erstmals auf dem Außenreitplatz ausbilden. Als die Klägerin den Außenreitplatz erreichte, näherte sich auf dem daneben verlaufenden Weg ein PKW nebst Pferdeanhänger, woraufhin "G" begann, Richtung Ausgang zu stürmen. Der Klägerin gelang es nicht, das Pferd unter Kontrolle zu bringen. Sie kam zu Fall, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin stürzte oder (wie die Beklagte behauptet) abgesprungen ist. Die Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt auch auf dem Gelände, jedoch nicht in unmittelbarer Nähe des Unfalls. Die Klägerin erlitt unter anderem eine Sprunggelenksfraktur und wurde am 29.4.2014 operiert und befand sich bis einschließlich 7.5.2014 in stationärer Behandlung. Die Verletzungsfolgen waren bis zuletzt noch nicht ganz ausgeheilt.
Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, dass es sich bei dem Pferd um ein so genanntes "Durchgängerpferd" handele, das völlig überraschend und ohne Grund davonstürme und dann unkontrollierbar werde. Das Pferd habe bereits vor dem Unfallereignis bei anderer Gelegenheit die Neigung zum Durchgehen gezeigt. Die Beklagte habe auf diese Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes hinweisen müssen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.540 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 22.4.2014 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;
4. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin eine außergerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 1.358,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hierauf ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass das Pferd vorher nie außergewöhnliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe und dass für sie keine Veranlassung bestanden habe, vor Abschluss des Berittvertrages auf etwaige Verhaltensauffälligkeiten hinzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage abgewiesen, da weder ein Anspruch aus § 833 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder § 823 BGB wegen des Ereignisses vom 22.4.2014 bestehe. Auch wenn sich bei dem Unfall gerade typische Tiergefahren im Sinne des § 833 BGB realisiert hätten, habe die Klägerin keine Ansprüche aus dieser Vorschrift. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Parteien einen ...