Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil für die Geltendmachung von Kindesunterhalt bei einem paritätischen Wechselmodell.
Normenkette
BGB §§ 181, 1601, 1628, 1629 Abs. 1 S. 2, §§ 1809, 1824 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
Verfahrensgang
AG Koblenz (Aktenzeichen 208 F 139/23) |
Tenor
Auf die Beschwerden des Kindesvaters werden der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 14.07.2023 zum Aktenzeichen 208 F 139/23 und der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 14.07.2023 zum Aktenzeichen 208 F 169/23 aufgehoben und unter Abweisung des Antrags der Kindesmutter, ihr das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen nach § 1628 BGB zu übertragen, Rechtsanwältin C.T. in K. zur Ergänzungspflegerin für die Kinder A., geboren am ...2016, Ne., geboren am ...2016, sowie Ni., geboren am ...2012, zur Vertretung der Kinder in Angelegenheiten des Kindesunterhalts bestimmt.
Die Ergänzungspflegschaft wird berufsmäßig geführt.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt bis zum 05.11.2023 auf 8.000,00 EUR und für die Zeit danach auf 4.000,00 EUR.
Gründe
I. Aus der Ehe des Kindesvaters mit der Kindesmutter sind die Kinder Ni., Ne. und A. hervorgegangen. Das Scheidungsverfahren ist anhängig. Nach der Trennung der Eltern lebten die Kinder zunächst bei der Kindesmutter und pflegten Umgangskontakte zum Vater, welcher sich im Rahmen von Jugendamtsurkunden vom 10.03.2022 zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet hatte. Darüber hinaus macht die Kindesmutter gegen den Kindesvater im Verfahren mit dem Aktenzeichen 208 F 203/22 beim Amtsgericht Trennungs- und Kindesunterhalt geltend. Mit Beschluss des erkennenden Senats vom 27.03.2023, Az.: 13 UF 41/23, wurden Umgänge im Wege des paritätischen Wechselmodells angeordnet, was die Beteiligten seitdem praktizieren.
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 03.05.2023 leitete der Kindesvater ein Verfahren ein (Az.: 208 F 131/23 - AG Koblenz), mit dem er sowohl unter Abänderung der Jugendamtsurkunden die Feststellung begehrt, dass er zu einer Zahlung von Kindesunterhalt ab 01.04.2023 nicht verpflichtet sei als auch die Verpflichtung der Kindesmutter zur Zahlung einer monatlichen Ausgleichsforderung von 199,43 EUR pro Kind, mithin gesamt 598,28 EUR, an sich verfolgt. Im Übrigen hat er wegen behaupteten konkreten Interessenskonfliktes um die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Kinder nachgesucht.
Die Kindesmutter ist dem entgegengetreten und hat ihrerseits nachgesucht, ihr das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen nach § 1628 BGB unter Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.10.2016, Az.: 6 UF 242/16, zu übertragen und dass widerstreitende Interessen der Eltern nicht ersichtlich seien.
Das Amtsgericht hat darauf zwei Verfahren eingeleitet, nämlich das Verfahren mit dem Aktenzeichen 208 F 139/23 betreffend die Ergänzungspflegschaft und dasjenige mit dem Aktenzeichen 208 F 169/23 betreffend die Übertragung des Elternrechts nach § 1628 BGB.
Das Jugendamt hat darauf verwiesen, dass beide Alternativen in Betracht kämen und für den Fall der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft um die Bestellung eines Fachanwaltes für Familienrecht gebeten werde.
Im gemeinsamen Verhandlungstermin der beiden Verfahren am 29.06.2023 hat der Kindesvater beantragt, den Kindern einen Ergänzungspfleger zu bestellen, hilfsweise, ihm das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen nach § 1628 BGB zu übertragen. Die Kindesmutter hat beantragt, ihr das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen nach § 1628 BGB zu übertragen, hilfsweise, den Kindern einen Ergänzungspfleger zu bestellen.
Mit Beschluss vom 14.07.2023, Az.: 208 F 169/23, hat das Amtsgericht der Kindesmutter das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen für die Kinder zur alleinigen Entscheidung übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eltern sich über die Angelegenheit der Geltendmachung von Kindesunterhalt als von erheblicher Bedeutung nicht einigen könnten sowie eine auf § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützte Vertretung aufgrund des Wechselmodells nicht möglich sei. Es bestehe im Falle des Wechselmodells ein Wahlrecht zwischen der Ergänzungspflegschaft und dem Weg über § 1628 BGB. Es erscheine verfahrensökonomisch sachdienlich, der Kindesmutter das Recht nach § 1628 BGB zu übertragen, da der Kindesvater als Arzt über höheres Einkommen als sie verfüge und die Kindesmutter bereits mit dem Verfahren 208 F 203/22 Unterhalt geltend mache bzw. sich der Vater gegen seine Unterhaltspflicht gemäß Jugendamtsurkunden zur Wehr setze. Auch sprächen die Gründe der Praktikabilität und Sachnähe gegen eine Ergänzungspflegschaft. Die Eltern seien besser informiert als ein externer Ergänzungspfleger und mit dem Weg über § 1628 BGB sei a...