Entscheidungsstichwort (Thema)

Privatgutachten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

2. Die Notwendigkeit ist zu begründen und glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Bezugnahme auf eine Stundenaufstellung ist dabei nicht ausreichend, wenn dort nur formelhaft Tätigkeiten aufgeführt sind, die die Notwendigkeit nicht begründen (hier: "Telefonat", "Durchsicht Klageschrift", "Texte erstellt" "Schreiben", "Ortsbesichtigung", "Schriftverkehr", "Durchsicht Unterlagen", Durchsicht BWSV, "Text für BWSV" usw.).

3. Zur Begründung der Notwendigkeit gehört auch, dass dargelegt wird, dass die notwendigen Erkenntnisse der Partei weder durch ein selbständiges Beweisverfahren noch durch die gerichtliche Beweisaufnahme vermittelt werden können

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 104

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 14.01.2016; Aktenzeichen 4 O 201/05)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25.02.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 14.01.2016 ("KFB II"), zugestellt am 12.02.2016 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 19.843,56 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das LG die Kosten des privaten Gutachters bei der Kostenfestsetzung nach Maßgabe des Antrages vom 13.08.2014 (Bl. 862 bis 876 GA) in der Fassung vom 01.06.2015 (Bl. 895 bis 899 GA) nicht berücksichtigt. Die Kosten und deren Notwendigkeit sind weder dem Grunde noch der Höhe nach hinreichend glaubhaft gemacht.

Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH NJW 2013, 1823). Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde (BGH NJW 2003, 1398; BGH NJW 2006, 2415; NJW 2012, 1370). Deshalb kann die Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von deren Überzeugungskraft abhängig gemacht werden. Mithin kann auch nicht verlangt werden, dass die Partei den Inhalt des Privatgutachtens durch entsprechenden Vortrag in den Rechtsstreit einführt oder das Gutachten selbst im Laufe des Rechtsstreits vorlegt. Die angefallenen Kosten und deren Notwendigkeit ist dabei im Einzelnen glaubhaft zu machen, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO. Nicht erstattungsfähig sind die Kosten einer Prozessbegleitung (OLG Köln NJW-RR 2010, 751)

Die allgemeinen Ausführungen des Sachverständigen in der eidesstattlichen Versicherung vom 17.3.2016 sowie des Klägers vom 16.03.2016 genügen der Glaubhaftmachung der Prozessbezogenheit im Sinne des § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht. Die Notwendigkeit der Einzelnen in der Aufstellung aufgezeigten Maßnahmen ist behauptet, aber nicht begründet. Sie lassen sich auch nicht aus sich heraus erschließen. Wenn dort beispielsweise "Telefonat" oder auch "Durchsicht Klageschrift" notiert ist, lässt sich die Notwendigkeit im vorgenannten Sinne nicht ersehen.

Es wird verkannt, dass das Betreiben des Geschäftes (Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG) Aufgabe des Bevollmächtigten ist und insoweit mit der Verfahrensgebühr abgegolten wird. Soweit in den eidesstattlichen Versicherungen darauf hingewiesen wurde, dass die Mitarbeit des Privatgutachters vom Prozessbevollmächtigten verlangt worden sei, rechtfertigt dies die Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht.

Es ist (auch) zu sehen, dass der prozessualen Beweisaufnahme der Vorrang gebührt. Insoweit gehört zum Nachweis der Notwendigkeit der entstandenen Kosten, dass dargelegt wird, weshalb die Erkenntnisse nicht innerprozessual - dazu zählt auch ein selbständiges Beweisverfahren - hätten erlangt werden können. Dies war vor dem Hintergrund des durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens und dessen Ergebnisses besonders erklärungsbedürftig. Obwohl diese Anforderungen schon im Beschluss des Senates vom 04.01.2016, 14 W 806/15 aufgezeigt wurden, trägt weder die Begründung des vergleichbaren Kostenfestsetzungsantrages in diesem Ver- fahren noch die weiteren Erläuterungen und die Begründung der Beschwerde dem Rechnung. Es ist weder Aufgabe des Rechtspflegers noch des Senates sich diese Darstellung aus den Anlagen zu erarbeiten, zumal diese nicht alle erforderlichen Angaben und Informationen (Auftrag) und Konkretisierungen der Tätigkeiten enthalten.

Die Rechnungen des Sachverständigen sind aber auch dem Grunde und der Höhe nach nicht plausibel. Die tatsächlich erteilten Aufträge wurden auch hier trotz mehrfacher Rüge nicht vorgelegt. Welcher Auftrag wurde erteilt, wenn die Klage durchgesehen werden sollte, Telefonate...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge