Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 130a Abs. 2 ZPO und die sie konkretisierende Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) sollen insbesondere gewährleisten, dass eingereichte elektronische Dokumente für das Gericht lesbar und bearbeitungsfähig sind. Vor dem Hintergrund dieses Zwecks ist auch die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die ERVV zu bestimmen.

2. Nach dieser Maßgabe führen Verstöße gegen die Regelungen der ERVV dann nicht zur - nach § 130a Abs. 6 ZPO heilbaren - Formunwirksamkeit eines gemäß § 130a Abs. 3 ZPO eingereichten elektronischen Dokuments, wenn die verletzte Rechtsnorm lediglich einen bestimmten Bearbeitungskomfort sicherstellen soll, ihre Verletzung aber nicht der Lesbarkeit und Bearbeitbarkeit des elektronischen Dokuments als solches entgegensteht.

3. Soweit § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV bestimmt, dass elektronische Dokumente in durchsuchbarer Form zu übermitteln sind, handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit des Eingangs führt (entgegen: BAG, Beschluss vom 12.03.2020, 6 AZM 1/20 = NZA 2020, 607, 608 Rn. 7; BAG, Urteil vom 03.06.2020, 3 AZR 730/19, juris Rn. 28f.).

4. Das vom Vollziehungsbeamten im Sinne des § 285 Abs. 1 AO gemäß § 291 AO gefertigte Protokoll über eine Vollstreckungshandlung ist eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO, die den vollen Beweis, des darin beurkundeten Vorgangs erbringt.

 

Normenkette

AO § 291; ERVV § 2; InsO § 133; ZPO §§ 130a, 415

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 172/19)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 21.09.2020 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 18.12.2020. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. In diesem Fall ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I. Einer Darstellung tatsächlicher Feststellungen i. S. d. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 522 Abs. 2 Satz 4, 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 543, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig (1.), hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, das heißt einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen (2.).

1. Die Berufung ist zulässig. Dem steht weder entgegen, dass sowohl in der Berufungsschrift als auch in der Berufungsbegründung, die jeweils vom Kläger eingescannt und als elektronisches Dokument im Dateiformat PDF (Version 1.4) eingereicht wurden, die verwendeten Schriftarten nicht entsprechend § 519 Abs. 4 bzw. § 520 Abs. 5 ZPO jeweils i. V. m. § 130a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 5 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -, im Folgenden: ERVV) sowie Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 20.12.2018 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 -, im Folgenden: ERVB 2019) in das Dokument eingebettet waren (a.) noch dass beide Dokumente bei Einreichung nicht durchsuchbar im Sinne des § 2 Abs. 1 ERVV gewesen sind (b.).

a) Durch die Regelungen in Nr. 1 ERVB 2019 werden für die Einreichung elektronischer Dokumente technische Vorgaben gemacht, durch die die gemäß § 5 Abs. 1 ERVV in Verbindung mit Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 19.12.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2018 - ERVB 2018) zugelassenen Versionen des Dateiformats PDF mit weitergehenden Einschränkungen (insb. Einbettung sämtlicher verwendeter Schriftarten) versehen werden. Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 09.11.2020, 3 U 844/20 (BeckRS 2020, 30105), dargelegt hat, ist dies weder von der Ermächtigungsgrundlage gemäß § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ERVV gedeckt noch mit der von § 5 Abs. 2 ERVV verlangten Mindestgültigkeit technischer Bekanntmachungen vereinbar. Nr. 1 ERVB 2019 ist daher jedenfalls insoweit nicht anzuwenden, als darin für Einreic...

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