Leitsatz (amtlich)
1. Ein bei Gericht eingereichter Antrag kann nicht deshalb mangels Einhaltung der Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO - wonach ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss - zurückgewiesen werden, weil trotz Verwendung eines zulässigen Formats (PDF) beim Kopieren von Textteilen in ein anderes elektronisches Dokument durch das Gericht eine unleserliche und sinnentstellte Buchstabenreihung entsteht.
2. Bei der Frage, ob die Sache bei einer erfolgreichen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an das Ausgangsgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, spricht im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung für eine Zurückverweisung, dass das Landgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, sich der zulässig gestellte Antrag nicht ohne Weiteres als unbegründet darstellt und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur prozessualen Waffengleichheit eine Einbindung des Antragsgegners in das Verfügungsverfahren angezeigt ist.
Normenkette
ERVV § 2 Abs. 1, 6; UrhG § 101a; ZPO § 130a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 19 O 6511/21) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.11.2021 und 17.01.2022, Az. 19 O 6511/21, aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller macht als Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Besichtigung des Quellcodes von Computerprogrammen nach § 101a UrhG geltend. Hintergrund sind die vom Antragsgegner angebotenen Produkte "S. [...] S1.1" und "S. [...]".
Mit Schreiben vom 21.09.2021 forderte der Antragsteller den Antragsgegner diesbezüglich zur schriftlichen Stellungnahme auf.
Mit Schriftsatz vom 20.10.2021 in der Fassung vom 22.11.2021 stellte der Antragsteller den nachfolgenden Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung:
I. Auf Antrag des Antragstellers vom 20.10.2021 wird, da ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist und dem Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache festgestellt wird, die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens gem. § 485 ff. ZPO angeordnet.
II. 1. Es soll durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben werden, ob die vom Antragsgegner angebotenen Produkte "S. [...] S1.1" sowie "S. [...]" unter Verletzung der ausschließlichen Nutzungsrechte der A. GmbH & Co. KG, über deren Vermögen der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, durch die Verwendung und Implementierung von identischen zu den von der A. GmbH & Co. KG entwickelten Softwareprogramme "10[...]", "I[...]" sowie "10e[...]"hergestellt werden; insbesondere soll hierbei geklärt werden, ob [...]
Ill. Im Wege der einstweiligen Verfügung werden darüber hinaus folgende weitere Anordnungen getroffen: [...]
Das Landgericht wies mit Verfügung vom 29.10.2021 den Antragsteller darauf hin, dass es zu bestimmten Punkten seines Antrags an Vortrag bzw. Glaubhaftmachung fehle. Daraufhin führte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 08.11.2021 weiter aus und legte Glaubhaftmachungsmittel vor.
Mit weiterer Verfügung vom 11.11.2021 wies das Landgericht den Antragsteller darauf hin, dass der Antrag teilweise unbestimmt sei und teilweise den Anforderungen von § 487 ZPO nicht genüge. Mit Schriftsatz vom 22.11.2021 stellte der Antragsteller daraufhin die Anträge teilweise neu.
Am 25.11.2021 wies das Landgericht den Antragsteller auf die Unwirksamkeit des Eingangs der Dokumente nach § 130a ZPO hin, da die eingegangenen Dokumente nicht kopierbar und durchsuchbar seien. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag übersandte der Antragsteller daraufhin die Schriftsätze nebst Anlagen nochmals an das Gericht und machte deren Übereinstimmung mit den ursprünglichen Schriftsätzen durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft.
Mit Beschluss vom 30.11.2021 wies das Landgericht die Anträge auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens sowie auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die zugrunde liegenden Anträge nicht formgerecht bei Gericht eingegangen seien. Die eingereichten Dokumente seien nicht in weiterbearbeitbarer Weise kopierbar. Kopiere das Gericht Teile aus dem eingereichten Dokument und füge diese wiederum in ein anderes elektronisches Dokument ein, erscheine eine unleserliche und sinnentstellte und damit nicht weiterbearbeitbare Buchstabenreihung.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller in seiner sofortigen Beschwerde und beantragt die Entscheidung über die in seinen Schriftsätzen gestellten Anträge. Zur Begründung führt er unter anderem aus, dass die eingereichten Dokumente den Anforde...