Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungskraft einer Sorgerechtsentscheidung - "für die Zeit des Getrenntlebens"
Leitsatz (redaktionell)
Geltungskraft einer unmittelbar nach Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes ergangenen Entscheidung des Familiengerichts, die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder „für die Zeit des Getrenntlebens” auf die Kindesmutter zu übertragen, die zeitweilig wieder in das eheliche Anwesen zurückgekehrt war.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 1696 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Mainz (Beschluss vom 03.07.1998; Aktenzeichen 34 F 141/98) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Mainz vom 16.2.2006 aufgehoben.
Der Beschluss des AG - FamG - Mainz vom 3.7.1998 - 34 F 141/98 - bleibt bestehen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner; Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin (geb. 1.6.1962) und der Antragsgegner (geb. 4.1.1948) haben am 10.6.1994 in Bodenheim geheiratet; aus der Verbindung sind die betroffenen Kinder hervorgegangen. Die Eheleute leben seit Juli 2000 voneinander getrennt; beim AG Mainz ist das Scheidungsverbundverfahren anhängig - 34 F 47/01 -. Die minderjährigen Kinder leben seither im Haushalt der Mutter; es bestehen regelmäßige Umgangskontakte zum Vater.
Im Juni 1998 hatte die Antragstellerin ein Frauenhaus aufgesucht, war aber kurze Zeit später wieder in das eheliche Anwesen zurückgekehrt. Auf ihren Antrag wurde der Antragstellerin - nach Anhörung des Kreisjugendamtes - mit Beschluss des AG Mainz vom 3.7.1998 - 34 F 141/98 - die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder "für die Zeit des Getrenntlebens" übertragen (Protokoll Bl. 9 und 10 GA).
Im August 2000 und nochmals im November 2001 begehrte der Antragsgegner die Übertragung des alleinigen Sorgerechts; mit Beschluss vom 5.3.2002 - 34 F 71/01 - wies das AG Mainz - nach Anhörung der Eltern, der betroffenen Kinder und des Kreisjugendamtes - den Antrag zurück, da die gesetzlichen Voraussetzungen "für eine Sorgerechtsänderung gem. § 1696 BGB" nicht vorgelegen hätten (Bl. 48-50 der Beiakte).
Im Januar 2006 begehrte der Antragsgegner erneut die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die gemeinsamen minderjährigen Kinder; die Antragstellerin ist dem unter Hinweis auf die fortbestehende sorgerechtliche Entscheidung vom 3.7.1998 entgegengetreten (AG Mainz - 34 F 13/06 -). Das AG hat seine Auffassung aktenkundig gemacht, dass sich der "Eilbeschluss" vom 3.7.1998 nach der Versöhnung der Eheleute erledigt habe und Gegenstand des vorliegenden Verfahrens daher eine "originäre Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 BGB" sei, die sich am Kindeswohl zu orientieren habe (Verfügung Bl. 9 Rs. und 10 der Beiakte).
Mit Beschluss vom 16.2.2006 (Bl. 15 Rs. - 18 GA) hat das AG den Beschluss vom 3.7.1998 in der Hauptentscheidung "klarstellend" aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 7.3.2006 (Bl. 20-22 GA).
Die Antragstellerin bringt vor, dass der Antragsgegner wesentliche Gründe zur Abänderung des - weder durch Zeitablauf noch sonst wie erledigten - Beschlusses vom 3.7.1998 nicht vorgebracht habe; das FamG sei - ohne Einlegung eines Rechtsmittels - nicht zur ("eigenmächtigen") Abänderung des Sorgerechts befugt. Im Übrigen hätten die Kinder sich zwischenzeitlich mehrmals dahingehend geäußert, dass sie bei der - zur Betreuung bereiten und fähigen - Antragstellerin bleiben wollten.
Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss und hebt hervor, dass die Eheleute nach der Verkündung des Beschlusses vom 3.7.1998 noch über zwei Jahre zusammengelebt hätten. Bei dieser Sachlage habe für das AG die Möglichkeit zur "deklaratorischen Aufhebung" der früheren Sorgerechtsentscheidung bestanden, sodass nunmehr beide Eheleute gemeinsam sorgeberechtigt seien.
II. Die befristete Beschwerde ist statthaft (§ 621e Abs. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beschluss des AG vom 3.7.1998, durch den die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder "für die Zeit des Getrenntlebens" auf die Antragstellerin allein übertragen wurde, beansprucht nach wie vor Geltungskraft und ist als Ausgangsentscheidung im neuen sorgerechtlichen Verfahren vor dem AG - 34 F 13/06 - zu beachten (zum Beurteilungs- bzw. Prüfungsmaßstab vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1696 Rz. 8; Veit in Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, § 1696 Rz. 3; Staudinger/Coester [2006], § 1696 Rz. 16 f.). Die vom AG - ohne Anhörung der Beteiligten - beschlossene "klarstellende Aufhebung" entbehrt der rechtlichen Grundlage.
a) Die rechtsgestaltende Entscheidung des FamG über die Zuweisung des Sorgerechts tritt (auch) bei veränderter Sach- und Rechtslage nicht gleichsam automatisch außer Kraft, sie unterliegt vielmehr - nach Eintritt der (formellen) Rechtskraft - dem Abänderungsverfahren nach Maßgabe des §...