Leitsatz
Seit dem Jahre 1994 verheiratete Eheleute lebten seit Juli 2000 voneinander getrennt. Die gemeinsamen minderjährigen Kinder lebten seit der Trennung im Haushalt ihrer Mutter, zum Vater bestanden regelmäßige Umgangskontakte.
Im Juni 1998 hatte die Antragstellerin ein Frauenhaus aufgesucht, war aber kurze Zeit später wieder in das eheliche Anwesen zurückgekehrt. Auf ihren Antrag wurde ihr mit Beschluss des AG vom 3.7.1998 die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder "für die Zeit des Getrenntlebens" übertragen.
Im August 2000 und erneut im November 2001 begehrte der Antragsgegner die Übertragung des alleinigen Sorgerechts. Sein Antrag wurde mit Beschluss aus dem Monat März 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sorgerechtsänderung nach § 1696 lägen nicht vor.
Im Januar 2006 begehrte der Antragsgegner erneut die Übertragung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin ist diesem Antrag unter Hinweis auf die fortbestehende Sorgerechtsentscheidung aus dem Juli 1998 entgegengetreten. Das AG hat den Beschluss aus dem Monat Juli 1998 in der Hauptentscheidung aufgehoben, da er sich nach der Versöhnung der Eheleute erledigt habe und Gegenstand des von dem Ehemann eingeleiteten Verfahrens daher eine "originäre Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 BGB" sei, die sich am Kindeswohl zu orientieren habe.
Gegen die Aufhebung des ursprünglichen Beschlusses aus dem Jahre 1998 richtete sich die Beschwerde der Antragstellerin, die erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hatte der Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts aus dem Monat Juli 1998, durch den die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien "für die Zeit des Getrenntlebens" auf die Antragstellerin allein übertragen worden war, nach wie vor Geltungskraft und war daher als Ausgangsentscheidung im neuen sorgerechtlichen Verfahren zu beachten. Die von dem erstinstanzlichen Gericht - ohne Anhörung der Beteiligten - beschlossene Aufhebung des Beschlusses entbehre der rechtlichen Grundlage.
Die rechtsgestaltende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Zuweisung des Sorgerechts trete auch bei veränderter Sach- und Rechtslage nicht gleichsam automatisch außer Kraft, sie unterliege vielmehr - nach Eintritt der formellen Rechtskraft - dem Abänderungsverfahren nach Maßgabe des § 1696 BGB.
Das OLG teilte nicht die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach die elterliche Sorge damals nur für den Zeitraum bis zur Rückkehr der Antragstellerin in das vormals eheliche Anwesen auf diese übertragen worden sei. Der Beschluss sei vielmehr dahingehend zu verstehen, dass von der Sorgeregelung die gesamte Trennungszeit bis zum Tage der Ehescheidung erfasst sein sollte.
Diese Auffassung finde auch Bestätigung in der seinerzeit geltenden Rechtslage. Durch das am 1.7.1998 in Kraft getretene Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.1997 wurde die bis dahin nach § 1671 BGB a.F. grundsätzlich erst bei der Ehescheidung nach § 1672 a.F. ggf. bereits zuvor für den Zeitraum des Getrenntlebens zu treffende Sorgeregelung durch eine Einheitsregelung der Auflösung der gemeinsamen Sorge in § 1671 BGB n.F. ersetzt. Zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung im Juli 1998 sei das neue Sorgerecht bereits in Kraft getreten und daher anzuwenden gewesen. Eine Übergangsregelung für bei Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes bereits anhängige Verfahren auf Zuweisung der Alleinsorge nach Trennung der Eltern nach § 1672 BGB a.F. fehle. Ungeachtet dessen liege es im vorliegenden Fall nahe, dass das Altverfahren ohne Weiteres als Verfahren nach § 1671 BGB n.F. weitergeführt wurde.
In diesem neuen Verfahren werde das erstinstanzliche Gericht zu prüfen und aufzuklären haben, inwieweit die von dem Antragsgegner dort vorgebrachten Umstände eine Abänderung der ursprünglichen Sorgeregelung aus dem Monat Juli 1998 rechtfertigen könnten.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 24.05.2006, 11 UF 170/06