Leitsatz (amtlich)
Eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB bei Meinungsverschiedenheiten unter den Eltern ist erst dann erforderlich, wenn das Kindeswohl eine solch erfordert. Das ist der Fall, wenn das Kindesinteresse an einer positiven Entscheidung erhebliches Gewicht hat. Ist dies, wie regelmäßig bei Angelegenheiten von minderer Bedeutung, nicht der Fall, hat es bei dem Elterndissens zu bleiben.
Normenkette
BGB § 1628
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 23.08.2018 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe war abzulehnen, denn die beabsichtigte Beschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO.
I. Die beteiligten Eltern praktizieren auf der Grundlage eines in dem Verfahren 42 F 249/16 vor dem Amtsgericht - Familiengericht - W. geschlossenen Vergleiches für ihre beiden minderjährigen Söhne T. (* ... 2006) und P. (* ... 2009) ein großzügiges Umgangsmodell, das sich einer Betreuung im paritätischen Wechselmodell annähert. In der notariellen Trennungsvereinbarung vom 01.02.2016, UR-Nr. ... hatten die Beteiligten zuvor festgelegt, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt weiterhin in der früheren Familienwohnung und mithin im Haushalt des Vaters beibehalten sollen. Der Vater hatte hierbei im Innenverhältnis auch die alleinige Barunterhaltspflicht für die Kinder übernommen, wobei er für das Kindergeld alleine bezugsberechtigt sein sollte. Auf der Grundlage des nunmehr praktizierten Umgangsmodells hat sich der Vater bereit erklärt, das hälftige Kindergeld an die Mutter weiterzuleiten. Die Mutter möchte darüber hinaus den jüngeren Sohn in ihrem Haushalt anmelden, weil sie so in den Genuss der günstigeren Steuerklasse II für Alleinerziehende kommen könnte. Hiermit ist der Vater nicht einverstanden.
Das Familiengericht hat den Antrag der Mutter, ihr nach § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis zur Anmeldung des Sohnes P. in ihrem Haushalt zu übertragen zurückgewiesen. Hiergegen möchte die Mutter mit ihrer Beschwerde vorgehen.
II. Das Familiengericht hat die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter zu Recht abgelehnt. Nach § 1628 BGB kann das Familiengericht bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern in Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, die Entscheidungsbefugnis auf Antrag einem Elternteil übertragen. Dabei ist ohne Rücksicht auf die Antragstellung nach § 1697a BGB die Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes besser entspricht. Das Kindeswohl ist nicht nur Maßstab dafür, welchem Elternteil die Entscheidung zu übertragen ist, sondern auch dafür, ob überhaupt eine Übertragung stattfinden soll (Palandt-Götz, BGB 77. Aufl. 2018, § 1628 BGB Rn. 8; BGH FamRZ 2017, 119 - Namensänderung - und FamRZ 2017, 1057 - Schutzimpfung -). Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen (vgl. Schilling, NJW 2007, 3233, 3235; Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB Neubearbeitung 2015, § 1628 BGB Rz. 43-44 m.w.Nachw.).
Nur solche Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, dürfen von uneinigen Eltern zum Gegenstand einer familiengerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Das folgt aus dem Prinzip staatlicher Subsidiarität: Erst wenn das Kindesinteresse an einer positiven Entscheidung erhebliches Gewicht hat, legitimiert es gerichtliche Entscheidungshilfe (BVerfGE 10, 59 = NJW 1959, 1483, 1486 = Rpfleger 1959, 261 = FamRZ 1959, 416). Vor der durch das SorgeRG gefundenen Fassung des § 1628 wurde die Notwendigkeit gerichtlicher Entscheidungshilfe daran gemessen, ob das Wohl des Kindes sie forderte (BVerfGE 10, 59 = NJW 1959, 1483, 1486). Handelt es sich um eine Angelegenheit von minderer Bedeutung, so kann und muss der Elterndissens in der Familie bleiben (Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB Neubearbeitung 2015, § 1628 BGB Rn. 25-27 m.w.Nachw.).
Hier möchte die Mutter an den zuvor einvernehmlich festgelegten Aufenthaltsverhältnissen der Kinder nichts ändern, sondern lediglich durch die "rein formelle" Anmeldung des jüngeren Sohnes mit Hauptwohnsitz unter ihrer Anschrift in den Genuss der günstigeren Steuerklasse II für Alleinerziehende kommen. Sie ist der Auffassung, nur hierdurch erfahre sie die gebotene Anerkennung ihrer gleichwertigen Erziehungsleistung.
Dennoch kommt eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Mutter vorliegend nicht in Betracht, denn das an objektiven Maßstäben zu messende Wohl des Kindes erfordert sie nicht. Da nach geltendem Melderecht ein Kind lediglich einen Hauptwohnsitz haben kann (VG Schwerin FamRZ 2011, 484), kann auch im Falle eines paritätischen Wechselmodells lediglich die Wohnung eines Elternteils melderechtlicher Hauptwohnsitz sein, mit allen weiteren sich daraus ergebenden - auch steuerrechtlichen - ...