Leitsatz (amtlich)
1. Das aus § 1629 Abs- 2 Satz 2 BGB folgende Alleinvertretungsrecht endet insbesondere dann, wenn der betreffende Elternteil nicht mehr die Obhut über das Kind innehat. Hatte der alleinvertretungsberechtigte Elternteil zuvor bereits einen Unterhaltsantrag gestellt, so wird dieser insgesamt - also nicht nur für den Zeitraum ab Wegfall des Alleinvertretungsrechts - unzulässig.
2. Zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung an den Unterhaltsschuldner geleisteter freiwilliger Zuwendungen Dritter.
3. Versicherungsbeiträge von nur geringer Höhe können als Kosten der privaten Lebensführung zu qualifizieren und als solche unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sein.
4. Zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von zum Zwecke der Erfüllung einer Bewährungsauflage erbrachter Zahlungen.
5. Zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Fahrtkosten und Kosten der Anschaffung eines Kraftfahrzeugs bei konkreter Geltendmachung berufsbedingter Aufwendungen.
6. Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit zur Zahlung des Mindestunterhalts kann von dem (Kindes-)Unterhaltsschuldner unter Umständen die Begründung eines Wohnsitzes am Ort seines Arbeitsplatzes erwartet werden.
Normenkette
BGB §§ 1603, 1612a, 1629 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Cochem (Beschluss vom 05.04.2019; Aktenzeichen 9 UF 276/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cochem vom 5. April 2019 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt für [...], geboren am [...], gerichtete Antrag wird abgewiesen.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für das Kind [...], geboren am [...], ab dem 1. April 2019 einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612a Abs. 1 BGB der jeweiligen - derzeit dritten - Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, zu zahlen.
Der Antragsgegner wird darüber hinaus verpflichtet, an die Antragstellerin für das Kind [...], geboren am [...], rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 1. April 2018 bis zum 31. März 2019 in Höhe von 1.164,- EUR zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Antragstellerin zu 42 % und der Antragsgegner zu 58 % zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.302,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die miteinander verheirateten Eltern der gemeinsamen aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder [...], geboren am [...] und [...], geboren am [...]. Nach der am 29. Juni 2017 erfolgten Trennung der Beteiligten lebten beide Kinder zunächst im Haushalt der Antragstellerin. Seit dem 5. November 2019 lebt [...] dauerhaft bei dem Antragsgegner. Jedenfalls im Zeitraum von April 2018 bis März 2019 erhielt die Antragstellerin für beide Kinder durchgängig Unterhaltsvorschussleistungen.
Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 13. April 2018 unter Fristsetzung bis zum 27. April 2018 auf, an sie für beide Kinder und die Zeit ab dem 1. April 2018 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen jeweils gewährten Kindergeldes zu zahlen. Die entsprechenden Kindesunterhaltsansprüche verfolgt sie mit dem vorliegenden Verfahren weiter. Der Antragsgegner wendet insoweit seine Leistungsunfähigkeit ein.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, für das gemeinsame Kind [...], geboren am [...], zu ihren Händen eine dynamisierte und zum Ersten eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltszahlung für die Zeit ab dem 01.10.2018 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612 Buchst. a BGB, abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen und damit zur Zeit 370,00 EUR, abzüglich seit dem 01.10.2018 monatlich gezahlter 273,00 EUR Unterhaltsvorschussleistungen und ab dem 01.01.2019 abzüglich gezahlter 282,00 EUR gezahlter monatlicher Unterhaltsvorschussleistungen;
2. den Antragsgegner zu verpflichten, für das gemeinsame Kind [...], geboren am [...], zu ihren Händen eine dynamisierte und zum Ersten eines jeden Monats im Voraus fällige Unterhaltszahlung für die Zeit
ab dem 01.10.2018 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der ersten Altersstufe nach § 1612 Buchst. a BGB,
ab dem 01.12.2019 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe nach § 1612 Buchst. a BGB,
ab dem 01.12.2025 i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der dritten Altersstufe nach § 1612 Buchst. a BGB,
abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein zweites Kind und damit zur Zeit 251,00 EUR zu zahlen, abzüglich seit Oktober 2018 monatlich gezahlter 154,00 EUR Unterhaltsvorschuss und ab dem 01.01.2019 monatlich gezahlter 160,00 EUR Unterhaltsvorschussleistungen;
3. den Antragsgeg...