Normenkette

BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Montabaur (Aktenzeichen 16 F 208/02)

 

Tenor

Auf die (sofortige) Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des AG – FamG – Montabaur vom 25.6.2002 aufgehoben und den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwältin … bewilligt, der Antragstellerin zu 1) jedoch nur insoweit, als sie mit dem Antrag zu 1) die Zahlung von 558,07 Euro beansprucht.

 

Gründe

Die Antragstellerinnen haben Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit der sie die Hälfte der Kosten für Klassenfahrten und Nachhilfeunterricht als Sonderbedarf ggü. dem Antragsgegner geltend machen wollen. Das AG hat den Antrag mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde hat ganz überwiegend Erfolg.

1. Der Unterhaltsberechtigte kann von dem Unterhaltsverpflichteten nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 BGB wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf) für die Vergangenheit Erfüllung verlangen. Die hier in Rede stehenden Kosten für die Klassenfahrten und den Nachhilfeunterricht sind entgegen der Ansicht des AG als Sonderbedarf anzusehen.

a) Das AG ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein unregelmäßiger Bedarf vorliegt, wenn er nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht berücksichtigt werden konnte (BGH v. 11.11.1981 – IVb ZR 608/80, MDR 1982, 391 = FamRZ 1982, 145). Dem AG kann aber nicht darin gefolgt werden, dass die Kosten für die Klassenfahrten und den Nachhilfeunterricht vorhersehbar gewesen seien.

Auch wenn – wie das AG zutreffend angenommen hat – voraussehbar ist, dass Kinder ab Erreichen eines gewissen Alters Klassenfahrten unternehmen, so ist doch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Häufigkeit diese stattfinden und welche Kosten sie verursachen. Über das Ob und Wie von Schulfahrten wird im Allgemeinen erst im jeweiligen Schuljahr entschieden, sie stehen daher nicht längere Zeit im Voraus fest. Es ist deshalb i.d.R. – und war daher auch im vorliegenden Fall – nicht möglich, die Kosten solcher Klassenfahrten bei der Bemessung des laufenden Unterhalts zu berücksichtigen oder wegen dieser Kosten gezielt Rücklagen vom laufenden Unterhalt zu bilden (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. 2000, Rz. 283).

Es kommt ferner nicht darauf an, ob sich die Notwendigkeit von Nachhilfeunterricht – wie das AG gemeint hat – allgemein durch die Entwicklung der schulischen Leistung allmählich ankündigt. Auch eine allmähliche Entwicklung kann unerwartet und damit unkalkulierbar sein, wenn sie – wie hier – erst nach der für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit maßgeblichen Bemessung des laufenden Unterhalts einsetzt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es sich bei dem den Regelbedarf überraschend übersteigenden Zusatzbedarf um einen – unregelmäßigen – Sonderbedarf oder um einen – regelmäßigen – Mehrbedarf handelt, der nur im Wege einer Abänderungsklage geltend gemacht werden kann (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. 2001, § 6 Rz. 3). Solange – wie bislang im Streitfall – nicht absehbar ist, dass die Nachhilfe einen Dauerzustand darstellt, sondern anzunehmen ist, dass sie lediglich der zeitlich begrenzten Überbrückung vorübergehender Schulschwierigkeiten dient, sind die dafür aufgewandten Kosten als Sonderbedarf anzusehen.

Der Antragsgegner macht ohne Erfolg geltend, die Nachhilfe sei nicht erforderlich gewesen. Die Klassenlehrerin der Antragstellerin zu 1) hat nach Rücksprache mit der Fachlehrerin bescheinigt, dass es im vergangenen Schuljahr unerlässlich gewesen sei, für die Antragstellerin zu 1) Nachhilfeunterricht im Fach Mathematik zu organisieren, weil sie ansonsten den Jahresstoff der 9. Klasse nicht geschafft hätte. Der Realschulrektor der Antragstellerin zu 2) hat bestätigt, dass die Antragstellerin zu 2) den Anforderungen der Realschule nur dann gerecht werden könne, wenn sie durch gezielten Nachhilfeunterricht die Lücken im Schulstoff aufarbeite. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners waren und sind die Antragstellerinnen auch nicht gehalten, sich von ihm selbst Nachhilfeunterricht erteilen zu lassen. Den Antragstellerinnen ist dies nicht zuzumuten, da der Antragsgegner hierfür fachlich nicht qualifiziert ist und er zudem schon seit etlicher Zeit keinen Kontakt mehr zu ihnen unterhält.

b) Der Bedarf ist außergewöhnlich hoch, da er nicht aus dem laufenden Unterhalt bestritten werden kann. Der Antragsgegner, der Unterhalt nach Gruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen hat, leistet monatlich 287 Euro an jede der beiden Antragstellerinnen. Dem stehen alleine für den Nachhilfeunterricht der Klägerin zu 1) von Oktober 2001 bis Juli 2002 monatliche Kosten von 198 DM = 101,24 Euro und für den Nachhilfeunterricht der Klägerin zu 2) seit Januar 2002 monatliche Kosten von 102 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge