Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung eines Schmerzensgeld-PKH-Verfahrens bei von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasster Schädigung in Erfüllung eines Werkvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Soll der Auftragnehmer eines Werkvertrages seine Arbeiten unter Zuhilfenahme technischer Vorrichtungen des Auftraggebers durchführen, ist dieser verpflichtet, die Arbeitsgeräte betriebssicher zur Verfügung zu stellen (nicht fixierte Gabelstaplerbox).
2. Kommt der Auftragnehmer wegen Verletzung dieser Vertragspflicht zu Schaden, kann die gesetzliche Unfallversicherung eintrittspflichtig sein.
3. Dieser Frage muss das mit einem PKH - Antrag für eine Schmerzensgeldklage befasste Zivilgericht von Amts wegen nachgehen und gegebenenfalls bereits das PKH-Verfahren auszusetzen bis eine unanfechtbare Entscheidung des Unfallversicherungsträgers oder der Sozialgerichte darüber ergangen ist, ob ein Versicherungsfall i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorliegt.
Normenkette
ZPO § 114; BGB § 241 Abs. 2, §§ 276, 631, 823; SGB VII §§ 2, 7-8, 104-106, 108
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 28.08.2015; Aktenzeichen 2 O 249/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 28.8.2015 aufgehoben und die Sache an das LG Mainz zurückverwiesen.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist nach § 127 ZPO statthaft und auch im Übrigen zu- lässig. Sie hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht mit der vom LG vertretenen Begründung zurückgewiesen werden. Vor einer erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats bedarf es indes einer Prüfung, ob das Prozesskostenhilfeverfahren überhaupt entscheidungsreif und keine Aussetzung nach § 108 SGB VII geboten ist.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine hinreichend bedürftige Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das LG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie der Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden zurückgewiesen, da es am Vortrag einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung des Antragsgegners fehle.
Mit dieser Begründung kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht der Erfolg versagt werden. Nach dem Vorbringen des Antragstellers sollte er als Auftragnehmer eines Werkvertrages unter Zuhilfenahme der vom Antragsgegner als Besteller zur Verfügung gestellten technischen Vorrichtungen Arbeiten ausführen.
Innerhalb des nach diesem Vortrag bestehenden Vertragsverhältnisses war der Antragsgegner als Besteller indes nach § 241 Abs. 2 BGB aufgrund seiner Rücksichtnahme- und Sicherungspflicht gehalten, für die körperliche Integrität des Auftragnehmers Sorge zu tragen. Bei der Verwendung von technischen Vorrichtungen des Bestellers gehört hierzu, dass diese ein sicheres Arbeiten ermöglichen. Der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, dass sich die auf der Gabelstaplervorrichtung angebrachte Box mit der Gablerstaplerbox gelöst habe. Dies beruhe auf einer unzureichenden technischen Absicherung, was erkennbar gewesen sei. Damit hat der Antragsteller eine schuldhafte unfallursächliche Pflichtverletzung vorgetragen. Das LG wird daher erneut über das Prozesskostenhilfegesuch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden haben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass vorliegend durchaus eine Anwendbarkeit der §§ 104 ff. SGB VII in Betracht zu ziehen ist. Dies wurde bislang von den Parteien nicht thematisiert. Danach könnte eine Haftungsprivilegierung zu Gunsten des Antragsgegners eingreifen. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungseinschränkung nach §§ 104 ff. SGB VII reicht in die nichtgewerbliche Tätigkeit im privaten Bereich hinein. Dies liegt an dem weiten Begriff des Unternehmers nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII sowie an der Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes auf sog. Wie-Beschäftigte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII (vgl. zum Ganzen etwa Waltermann, NJW 2004, 901; s. auch bereits BGH, NJW 1987, 1643). Letztere greift, wenn eine ernsthafte, einem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte, dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Zur abschließenden Bewertung des vorliegenden Sachverhalts bedarf es indes Weiteren tatsächlichen Vortrags der Parteien zur Ausgestaltung ihres Tätigwerdens.
In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass Zivilgerichte bei Entscheidungen über die in den §§ 104-107 SGB VII aufgeführten Ansprüche hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte gebunden sind. Sie müssen daher das bei...