Leitsatz (amtlich)

In Ehe- und Familienstreitsachen richten sich die an die zwingen erforderliche Beschwerdebegründung zu stellenden inhaltlichen Anforderungen nach den allgemeinen, zu § 520 Abs. 3 ZPO entwickelten Grundsätzen des Zivilprozessrechts (Anschluss an: BGH FamRZ 2013, 1879). Hat das Erstgericht die Antragsabweisung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Beschwerdebegründung demgemäß in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. Dabei reicht es - anders als in FG-Familiensachen - nicht aus, lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (vgl. BGH NJW 2013, 174).

Obgleich der Vermieter am Ehewohnungszuweisungsverfahren nach § 1568a BGB zu beteiligen ist (§ 204 FamFG), vermögen seine Präferenzen grundsätzlich keinen Einfluss für die Zuweisungsentscheidung zu geben.

Im Rahmen der Ehewohnungszuweisung ist es zu Lasten eines Grundsicherung beziehenden Ehegatten zu werten, wenn die Wohnung über dem für die Grundsicherung angemessenen Wohnraum liegt. Demgegenüber stellen bei der Ersatzwohnungssuche hinderliche schlechte Deutschkenntnisse keinen maßgeblichen Abwägungsgesichtspunkt dar, wenn in der Vergangenheit genug Zeit bestand, die deutsche Sprache zu erlernen.

 

Normenkette

BGB § 1568a; FamFG § 117 Abs. 1 Sätze 1-3; SGB II § 22 Abs. 1; SGB XII § 35 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Aktenzeichen 208 F 40/16)

 

Tenor

Die Antragsgegnerin ist des eingelegten Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ehescheidung im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 26.04.2019 verlustig.

Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 26.04.2019 wird verworfen, soweit sich das Rechtsmittel gegen die Abweisung des Zugewinnausgleichsantrags richtet, und im Übrigen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegnerin eine Frist zum Auszug aus der Ehewohnung K. Straße ..., 5... K., 2. OG rechts, bis zum 31.12.2019 gewährt wird.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren bis zum 01.07.2019 auf bis 25.000 EUR und danach auf 19.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die aus Polen stammenden Beteiligten sind beide Rentner. Sie haben im Jahre 2008 geheiratet und leben seit 2014 in der gemeinsam angemieteten Ehewohnung getrennt. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.

Das Familiengericht hat die Ehe geschieden, die Ehewohnung auf diese wechselseitig jeweils für sich beanspruchende Anträge der Ehegatten dem Antragsteller zugesprochen und den Zugewinnausgleichsantrag der Antragsgegnerin abgewiesen. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs hatten die Ehegatten zuvor einvernehmlich ausgeschlossen.

Begründet hat das Familiengericht seine güterrechtliche Entscheidung damit, dass die einen Zugewinnausgleich von 15.500 EUR begehrende Antragsgegnerin einen solchen Anspruch nicht schlüssig dargetan habe. Die Antragsgegnerin beziehe sich nach zuvor erteilter Auskunft des Antragstellers lediglich auf zwei behauptete Vermögenswerte, ohne das im Vergleich zum Anfangsvermögen geringere Endvermögen des Antragstellers zu berücksichtigen. Darüber hinaus trage sie zu dem einen behaupteten Endvermögenswert von 6.000 EUR, die der Antragsteller bei Dritten deponiert haben soll, nicht näher vor. Eine Beweisaufnahme sei deshalb nicht durchzuführen gewesen, denn diese würde auf eine reine Ausforschung hinauslaufen. Der zweite angeführte Endvermögenswert, eine Versicherung bei der P. Lebensversicherung mit einem behaupteten Kapitalwert von 25.000 EUR, unterfalle hingegen gemäß der in der Folgesache Versorgungsausgleich eingeholten Auskunft (Bl. 19 f. d.A. VA) dem ausgeschlossenen Versorgungsausgleich.

Die Zuweisung der angemieteten Ehewohnung an den Antragsteller stützt das Familiengericht auf Billigkeitsabwägungen. Beide Eheleute seien gesundheitlich stark beeinträchtigt, so dass die beiderseitigen Erkrankungen keine Gewichtung zuließen. Auch wären beide Seiten beim Umzug auf Hilfe angewiesen. Entscheidend sei daher, dass entsprechend der Mitteilung der Vermieterin nur der Antragsteller in der Lage sei, die Wohnung allein zu finanzieren. Zudem gehöre dem Antragsteller der weit überwiegende Teil der Möbel, so dass ein Umzug der Antragsgegnerin weniger aufwendig erscheine.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, welche diese ausdrücklich vollumfänglich eingelegt hat (Bl. 213 d.HA.). Anträge nebst einer Begründung hat die Antragsgegnerin sodann lediglich hinsichtlich der Folgesachen Güterrecht und Ehewohnung vorgelegt (Bl. 226 ff. d.HA.). Die Beschwerdebegründung nimmt zunächst Bezug auf das erstinstanzliche Vorbringen. Sodann rügt die Antragsgegnerin, dass ihrem Beweisantrag bzgl. der Hinterlegung eines Betrags von 6.000 EUR hätte stattgegeben werden müssen. Es habe sich um keinen Au...

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