Leitsatz (amtlich)
Wird im Jugendgerichtverfahren gem. § 31 Abs. 2 JGG ein rechtskräftiges Urteil in eine andere Entscheidung einbezogen, müssen der der früheren Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt und die Strafzumessungsgründe des einbezogenen Urteils in der neuen Entscheidung mitgeteilt werden.
Verfahrensgang
AG St. Goar (Entscheidung vom 26.08.2010) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - St. Goar vom 26. August 2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts St. Goar zurückverwiesen.
Gründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).
Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Das Jugendschöffengericht hat gegen den Angeklagten gemäß § 31 Abs. 2 JGG unter Einbeziehung eines auf Jugendstrafe lautenden früheren Urteils vom 16. Juli 2009 auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt. Die Urteilsgründe beschränken sich hierzu auf die Mitteilung des früheren Urteilsspruchs und den Hinweis, dass die Vorverurteilung in die jetzt zu verhängende Jugendstrafe einzubeziehen sei. Zu den der Vorverurteilung zugrunde liegenden Taten selbst wird im Urteil nichts mitgeteilt. Damit ist die Strafzumessung nicht frei von Rechtsfehlern. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu folgendes ausgeführt:
"Das Amtsgericht hat zu Recht gem. § 31 Abs. 2 JGG das rechtskräftige Urteil des Amtsgericht St. Goar vom 16.07.2009 in seine Entscheidung einzubeziehen versucht. Insofern hat es aber in rechtsfehlerhafter Weise weder den der früheren Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt noch die Strafzumessungsgründe des Urteils vom 16.07.2009 mitgeteilt (zu diesem Erfordernis: BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 3 und 7). Damit ist weder die Art noch die Schwere der früheren Tat erkennbar, mit der Folge, dass bereits die Beurteilungsgrundlage für die gem. § 31 Abs. 2 JGG erforderliche neue, selbständige und von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung fehlt.
Hinzu kommt, dass sich die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nur mit den jetzt neu abgeurteilten Taten befassen und somit die bei der Einbeziehung eines rechtskräftigen Urteils gem. § 31 Abs. 2 JGG erforderliche Gesamtwürdigung sämtlicher Taten, die einer einheitlichen originären Sanktion zugeführt werden müssen, nicht stattgefunden hat (vgl. zum Erfordernis einer neuen originären Gesamtwürdigung BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 3 und 7; OLG Koblenz, NStZ-RR 2008, 323).
Demgemäß ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben."
Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat an. Unter Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 1 und 2 StPO) ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts St. Goar zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Der Senat greift weiter die Anregung der Generalstaatsanwaltschaft auf, für die Durchführung der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, dass bei Ermittlung der Blutalkoholkonzentration durch Rückrechnung neben dem maximalen stündlichen Abbauwert von 0,2 %o zugunsten des Angeklagten noch ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 %o zu berücksichtigen ist (vgl. nur Fischer StGB § 20 Rdn. 13 m.w.N.). Damit wird auf Grundlage der bisherigen Feststellungen von einer Blutalkoholkonzentration des Angeklagten jenseits der 2 %o zur Tatzeit auszugehen und in eine Prüfung des § 21 StGB einzutreten sein.
Fundstellen
Haufe-Index 2624370 |
NZV 2011, 267 |
ZfS 2011, 349 |
StRR 2011, 2 |
StV 2011, 591 |