Leitsatz (amtlich)
Wird nach polnischem Recht die Ausübung der elterlichen Gewalt (elterliche Sorge) für ein minderjähriges Kind einem Elternteil allein übertragen mit der Maßgabe, dass der andere Elternteil zur Mitentscheidung über wichtige Angelegenheiten des Kindes berechtigt bleibt, steht dem erstgenannten Elternteil das Recht zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht alleine zu. Verbringt er das Kind sodann ohne Einwilligung des anderen Elternteils dauerhaft außer Landes, liegt darin ein widerrechtliches Verbringen im Sinne des Haager Kindesentführungsübereinkommens.
Normenkette
FamGB POL Art. 92; KiEntfÜbk Haag Art. 12 Abs. 13, Art. 3; KiEntFÜbk Haag Art. 12 Abs. 1; KiEntfÜbk Haag Art. 12 Abs. 14
Verfahrensgang
AG Koblenz (Entscheidung vom 12.12.2017; Aktenzeichen 191 F 327/17) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 12.12.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Es verbleibt bei den Anordnungen des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz gemäß Ziff. II. bis IV des Beschlusses vom 12.12.2017, wobei die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 12.12.2017 angeordnet und die der Antragsgegnerin gesetzte Frist zur Rückführung des Kindes bis zum 10.02.2018 erstreckt wird.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
5. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe gewährt; die beantragte Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
Gründe
I. In dem vorliegenden Beschwerdeverfahren wendet sich die Antragsgegnerin gegen eine vom Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz durch Beschluss vom 12.12.2017 auf Grundlage des Haager Kindesentführungsübereinkommens [HKÜ] angeordnete Rückführung des betroffenen Kindes ...[A], geb. am ...02.2011, nach Polen.
Die Kindeseltern sind und waren nicht miteinander verheiratet; sie haben auch nie zusammen gelebt. Das Kind lebte bis Mitte 2017 bei seiner Mutter in Polen. Aufgrund Streits zwischen den Eltern erging bereits im Jahre 2015 eine Entscheidung eines Amtsgerichts Strzelce Opolskie zum Sorgerecht für ...[A]. Nach dieser beschloss das polnische Gericht gemäß der vorgelegten Übersetzung der gerichtlich vereidigten Dolmetscherin Mag. ...[B] (Bl. 20 d.A.):
die Ausübung der elterlichen Sorge für das minderjährige Kind ...[A], geb. am ...02.2011 in ..., ...[C] [Kindesmutter und Antragsgegnerin] zu erteilen, indem der Antragsteller ...[D] [Kindesvater] zum persönlichen Kontakt mit dem minderjährigen Sohn und zur Mitentscheidung über wichtige Angelegenheiten des Kindes, darunter mit der ärztlichen Behandlung und der Schulauswahl verbundene Angelegenheiten, berechtigt und verpflichtet wird.
In der Folgezeit hatte die Antragsgegnerin einen Deutschen kennengelernt und beabsichtigte, mit diesem in der Nähe dessen Arbeitsorts in Deutschland zusammen zu leben. Aus diesem Grund verließ die Antragsgegnerin mit dem Kind Mitte 2017 Polen und nahm ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort bei ihrem Partner in Deutschland. Der Antragsgegner war und ist mit dem Verbleib des gemeinsamen Sohnes in Deutschland nicht einverstanden. Er ist der Meinung, die Antragsgegnerin habe den Jungen unter Verletzung seines gemeinsamen Sorgerechts widerrechtlich nach Deutschland verbracht und hat daraufhin mit am 25.10.2017 beim Familiengericht eingegangenem Antrag die Rückführung von ...[A] nach Polen beantragt. Die Antragsgegnerin ist diesem Ansinnen entgegen getreten. Sie ist der Ansicht, dass ihr die Alleinsorge zustehe und eine Rückführung des Kindes überdies völlig unverhältnismäßig sei. Sie sei nur deshalb mit ...[A] nach Deutschland umgezogen, um am Wohn- und Arbeitsort ihres neuen Partners, in welchen sie sich schnell verliebt habe, mit diesem zusammen leben zu können. Dies sei auch sehr zum Wohle des Kindes. ...[A] fühle sich in der neuen Umgebung wohl.
Das Familiengericht hat dem Rückführungsantrag nach Einholung eines Jugendamtsberichts, der Bestellung eines Verfahrensbeistands und der persönlichen Anhörung der Beteiligten stattgegeben und entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen angeordnet. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass dem Kindesvater bei der Frage der Bestimmung des Aufenthalts des Kindes ein Mitentscheidungsrecht zustehe. Mangels dessen Einverständnisses mit dem Umzug sei ...[A] von der Antragsgegnerin widerrechtlich unter Verletzung der Mitsorge des Antragstellers nach Deutschland verbracht worden. Nachdem keine Härtefallgründe des § 13 HKÜ vorlägen, sei demgemäß die Rückführungsverpflichtung nach § 12 HKÜ - unter Flankierung entsprechender Vollstreckungsanordnungen gemäß § 44 IntFamRVG - auszusprechen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsdarstellung und der Entscheidungsbegründung wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die schriftsätzlichen und mündlichen Stellungnahmen der Beteiligten verwiesen.
Mit ihrem g...