Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 713/18)

 

Tenor

I. Der Senat weist die Parteien auf Folgendes hin:

Die Berufung des Klägers betreffend die abgewiesene Feststellungsklage hat keine Aussicht auf Erfolg (dazu 1.). Der in der Berufung geänderte Antrag zu 1) ist in der jetzigen Fassung bereits unzulässig (1. a)). Er ist aber auch unbegründet. Weder hat der Kläger Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen falscher Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2012 unter Zugrundelegung von Fortführungswerten (1. b)) noch wegen Verletzung von Hinweispflichten (1. c)), da dem jeweils zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Geschäftsführerin der Schuldnerin entgegensteht.

Jedoch ist die Berufung hinsichtlich der abgewiesenen Klage auf Zahlung von 2.900,00 EUR aus Insolvenzanfechtung teilweise begründet (2.).

 

Gründe

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. a) Der Berufungsantrag zu 1) ist derzeit bereits gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist. Er ist darauf gerichtet, die Beklagte zum Schadensersatz zu verpflichten. Da von der Antragsfassung erster Instanz abgewichen wird, bleibt unklar, ob der erstinstanzlich gestellte Feststellungsantrag weiterverfolgt oder nunmehr ein unbezifferter Leistungsantrag gestellt werden soll. Letzteres wäre im Übrigen unter dem Aspekt unzulässig, dass Leistungsanträge grundsätzlich zu beziffern sind, sofern nicht die Bestimmung des Betrags von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 14).

b) Der Berufungsantrag zu 1) ist auch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung eines Insolvenzverschleppungsschadens gemäß §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4, 675 Abs. 1 BGB oder gemäß §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB.

aa) Eine schuldhafte Pflichtverletzung durch objektiv unrichtige Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2012 zu Fortführungswerten ist bereits nicht schlüssig dargetan. Es kann an dieser Stelle als zutreffend unterstellt werden, dass der Jahresabschluss objektiv bilanzrechtlich falsch war. Der Beklagten ist dies jedenfalls nicht vorwerfbar.

Von welchen Steuerberaterpflichten die Beklagte bei der Erstellung des Jahresabschlusses ausgehen musste, bestimmt sich maßgeblich nach der im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses für 2012 am 02.03.2015 noch gültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. Urteil vom 07.03.2012, Az.: IX ZR 64/12). Danach traf den Steuerberater ohne konkreten Auftrag nicht die Pflicht, zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen und sodann - je nach dem Ergebnis dieser Prognose - eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten vorzunehmen (juris Rn. 17). Die Unterdeckung im Rahmen der vom Steuerberater erstellten Bilanz könne zwar einen indiziellen Hinweis auf die möglicherweise drohende oder bereits eingetretene Überschuldung geben, weise diese aber nicht aus (juris Rn. 16). Die Erkenntnis der Überschuldung i. S. d. § 19 InsO setze vielmehr weitere Untersuchungen - unter anderem zu den Fortführungsaussichten - voraus, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgten (juris Rn. 18). Das Wissen des Steuerberaters stehe hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kenne, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgebenden weiteren Umstände. Den äußeren Anlass für eine Überschuldungsprüfung könne der Geschäftsführer ohne weiteres der Handelsbilanz entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweise. Der Bundesgerichtshof kam vor diesem Hintergrund zu dem Schluss, dass der Steuerberater für einen Insolvenzverschleppungsschaden nur haften könne, wenn er ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei (juris Rn. 19).

Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die maßgeblich dem Geschäftsführer des Unternehmens im Verhältnis zum Steuerberater überlegenes Wissen und die Verantwortung für die Insolvenzprüfung und -antragstellung zuschrieb, ist so verstehen, dass der Steuerberater nicht verpflichtet sein sollte, sich bei Anhaltspunkten für eine insolvenzrechtliche Überschuldung ohne ein Mandat zur Prüfung der Insolvenzreife mit der Fortführungsprognose zu beschäftigen, insbesondere beim Geschäftsführer des Unternehmens hierzu notwendige weitere Informationen einzuholen. Anderenfalls hätte der Bundesgerichtshof die trotz Anhaltspunkten für eine bereits eingetretene insolvenzrechtliche Überschuldung zu Fortführungswerten erstellte Bilanz eindeutig als mangelhaft einstufen müssen, was er aber in seiner Argumentation gerade nicht getan hat (vgl. juris Rn. 17, 19).

Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt, konnte ein Steuerberater mit allgemeinem steuerrechtlichen Mandat wie vorliegend die Beklagte davon ausgehen, pflichtgemäß zu handeln, wenn er entsprechend dem Grundsatz des § 252 Ab...

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