Leitsatz (amtlich)
1. Der Wegfall des Pensionsprivileg nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG a.F. durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) zum 1.9.2009 führt nur dann zu einem Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG, wenn weitere, den Ausgleichspflichtigen unangemessen belastende Umstände hinzutreten.
2. Ein (befristeter oder teilweiser) Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der wirtschaftliche Nachteil, der durch die sofortige Kürzung der Versorgungsbezüge aufgrund des Versorgungsausgleichs entsteht, für den Ausgleichsverpflichteten deshalb besonders schwerwiegend ist, weil er aufgrund Leistungsunfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Ausgleichsberechtigten den Betreuungs- und Barunterhalt für das bei ihm lebende gemeinsame minderjährige Kind sicherzustellen hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Ausgleichsverpflichtete über eine zusätzliche Absicherung im Alter verfügt, der Ausgleichsberechtigte auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist und er nicht die Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, grob verletzt.
3. Die §§ 32 ff. VersAusglG sind nicht anwendbar, wenn der Ausgleichsverpflichtete keinen Nachehelichenunterhalt sondern Kindesunterhalt zahlt.
Normenkette
VersAusglG §§ 27, 32 ff.; BeamtVG §§ 55, 57
Verfahrensgang
AG Alzey (Aktenzeichen 2 F 20/12) |
Gründe
I. Die Beteiligten sind seit 15.1.2013 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist der am 30.1.1997 geborene Sohn J. hervorgegangen, der seit Februar 2012 bei dem Antragsgegner lebt.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Kindesunterhalt für J. ab Rechtskraft der Scheidung und über die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die Antragstellerin ist gelernte Floristin. Sie hat in diesem Beruf etwa zwei bis drei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes gearbeitet. Seit April 2008 ist sie als Teilzeitkraft bei der Bäckerei S. beschäftigt. Sie arbeitet in verschiedenen Filialen als sog. Springerin 100 Stunden im Monat zu einem Stundenlohn von 8,35 EUR. Ihr monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf 678,65 EUR. Eine Ausweitung der Tätigkeit auf eine Vollzeitstelle ist ihr bei diesem Arbeitgeber nicht möglich. Die Antragsgegnerin arbeitete zusätzlich bis zur Geschäftsaufgabe ihrer Arbeitgeberin zum 31.1.2013 als geringfügig Beschäftigte monatlich 20 Stunden als Floristin und erhielt hierfür 150 EUR. Ihre monatliche Warmmiete beläuft sich auf 635 EUR.
Der Antragsgegner ist Frühpensionär. Er bezieht eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften von der weiteren Beteiligten zu 1. i.H.v. etwa 1.500 EUR. Er lebt in einer eigenen Immobilie.
Das AG hat durch den angefochtenen Beschluss die am 28.6.1996 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag des Antragsgegners auf Zahlung von Kindesunterhalt abgewiesen. Die Antragstellerin sei nicht leistungsfähig. Sie genüge zwar nicht ihrer gesteigerten Erwerbsverpflichtung. Auch bei einer vollschichtigen Tätigkeit als Floristin würde sie jedoch nur ein Einkommen von 1.277 EUR brutto verdienen, was einem monatlichen Nettoeinkommen von 911,39 EUR entspreche. Im Wege der internen Teilung hat das AG die jeweiligen Anrechte der Beteiligten in der gesetzlichen Rentenversicherung, bezogen auf den 31.1.2012, ausgeglichen. Danach ist der Antragsgegner überwiegend ausgleichspflichtig. Ferner hat das AG im Wege der internen Teilung ein Anrecht des Antragsgegners bei der weiteren Beteiligten zu 1. zugunsten der Antragstellerin i.H.v. 214,81 EUR monatlich, bezogen auf den 31.1.2012, übertragen.
Gegen die Entscheidung über die Durchführung des Versorgungsausgleichs hat die weitere Beteiligte zu 1. Beschwerde eingelegt. Sie möchte die Anwendung des § 55 BeamtVG erreichen. Sie hat eine neue Auskunft vorgelegt (Bl. 95 bis 110 GA).
Der Antragsgegner möchte mit seiner Beschwerde erreichen, dass die Antragstellerin einen monatlichen Kindesunterhalt von 50 EUR ab Rechtskraft der Scheidung zahlt. Er strebt ferner einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs an.
Der Antragsgegner macht geltend, die Antragstellerin könne ausgehend von dem tatsächlich erzielten Stundenlohn von 8,35 EUR bei vollschichtiger Tätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100 EUR erzielen. Dazu habe sie zur Sicherstellung des Mindestunterhalts eine Nebentätigkeit anzunehmen. Die Antragstellerin lebe in einer neuen Lebensgemeinschaft, so dass ihr Selbstbehalt um monatlich 200 EUR zu reduzieren sei. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich sei unbillig. Sein Renteneinkommen werde unmittelbar nach Rechtskraft der Entscheidung gekürzt, ohne dass die Antragstellerin davon profitiere. Er habe aus dem gekürzten Renteneinkommen den Betreuungs- und Barunterhalt für das gemeinsame Kind zu bestreiten. Er sei dann auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe in ergänzender Form angewiesen. Er habe als Frührentner keine Möglichkeit, die im Versorgung...