Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfordert, dass der betreuende Elternteil einen nennenswerten Teil der Betreuung selbst wahrnimmt, mithin eine nennenswerte Betreuungs- bzw. Erziehungsleistung erbringt. Das schließt eine eigene Erwerbstätigkeit und die damit verbundene Versorgung des Kindes mit Hilfe Dritter nicht aus.
Der Schwerpunkt der Betreuung und Erziehung eines Jugendlichen liegt darin, dass der Elternteil als verantwortlicher Ansprechpartner im Alltag zur Verfügung steht, den persönlichen Kontakt pflegt und damit die soziale Bindung festigt, wobei er entsprechende Hilfeleistungen selbst durchführt oder unter Beibehaltung seiner Erziehungsverantwortung organisiert. Demgegenüber gehört die hauswirtschaftliche Tätigkeit zwar ebenfalls notwendigerweise zur Versorgung eines Kindes, stellt jedoch nicht den Schwerpunkt in der persönlichen Betreuung und Erziehung eines Jugendlichen dar.
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Mayen (Aktenzeichen 8c F 313/21) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - M. vom 18.02.2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 6.270,00 EUR.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind seit 2019 getrenntlebende Ehegatten. Aus der Ehe ist die gemeinsame Tochter K., geboren am ... 2006, hervorgegangen, die bis Mai 2021 zunächst gemeinsam im Haushalt mit der Antragsgegnerin zusammen lebte. Der Antragsteller hatte sich zur Zahlung von Kindesunterhalt gemäß Jugendamtsurkunde vom 07.10.2020 verpflichtet.
Nach einer Auseinandersetzung mit der Kindesmutter im Mai 2021 wechselte die Tochter K. ihren Aufenthalt in das Haus der Großeltern väterlicherseits. Dort leben die Eltern und die Schwester des Kindesvaters. Wann und wie lange sich der Kindsvater dort aufhält und der Umfang seiner Betreuungsleistungsleistung für K. ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Kindesvater ist berufstätig und führt eine Beziehung mit einer in Ko. lebenden Frau, bei der er sich regelmäßig aufhält. Nach einem Aufenthalt bei der Kindesmutter in den Sommerferien 2021 ist K. seit August 2021 wieder ins Haus der Großeltern gewechselt.
Die Kindesmutter geht einer Teilzeitbeschäftigung in der Altenpflege nach.
Die Ehegatten sind Miteigentümer einer Wohnung im A. in M., der vormaligen Ehewohnung, welche die Antragsgegnerin zumindest bis September 2021 bewohnt hat. Die Beteiligten sind zudem Miteigentümer eines Hausanwesens in U.
Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 27.05.2021 zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes ab Juni 2021 mit Fristsetzung bis zum 04.06.2021 auf, worauf die Antragsgegnerin nicht reagierte. Eine erneute Zahlungsaufforderung erfolgte mit Schreiben vom 25.08.2021.
Der Antragsteller hat mit am 16.09.2021 eingereichten Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom gleichen Tag, welcher der Antragsgegnerin am 14.10.2021 zugestellt wurde, die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts ab Juni 2021 sowie die Herausgabe der Urkunde des Jugendamtes vom 07.10.2020 begehrt und zur Begründung ausgeführt, dass die Tochter K. seit dem 20.05.2021 dauerhaft in seinen Haushalt gewechselt sei und dort lebe. K. habe sich in den Sommerferien im Rahmen eines Umgangskontaktes bei der Mutter aufgehalten. Ein Umzug habe nicht stattgefunden. Er lebe im Haushalt seiner Eltern. Da er täglich arbeiten gehe, sei er froh, dass seine Eltern ihn bei der Betreuung von K. unterstützten.
Zuletzt hat der Antragsteller beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn für die gemeinsame Tochter K., geboren am ... 2006, Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestkindesunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigem Kindergeld, derzeit 528,00 EUR abzüglich 109,50 EUR, somit monatlich 418,50 EUR ab Oktober 2021, fällig im Voraus jeweils bis zum 03. eines jeden Monats an den Antragsteller zu zahlen,
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm rückständigen Kindesunterhalt für die Monate Juni 2021 bis einschließlich September 2021 für die Tochter K. in Höhe von 1.674,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, sie sei mit dem Aufenthalt von K. nicht einverstanden. Zudem sei auch der Antragsteller zum Barunterhalt verpflichtet, da K. sich nicht dauerhaft in seinem Haushalt aufhalte. Der Kindesvater habe gegenüber dem Jugendamt angegeben, dass K. im Haushalt der Großmutter lebe, wo sie ein eigenes Zimmer habe. D...